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Teil 2 der Reihe „In Preparation“: Schaurestaurierung von Anselm Kiefers Gemälde „Maikäfer flieg!“

08.10.2020
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart

Die Schaurestaurierung von Anselm Kiefers Gemälde „Maikäfer flieg!“ (1974) innerhalb der Ausstellung „Zeit für Fragmente“ im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin ist der zweite Teil der Reihe „In Preparation“, mit der die Nationalgalerie Einblicke in die kuratorischen und restauratorischen Vorbereitungen von zentralen Werken für den Neubau am Kulturforum gewährt.

Die Reihe "In Preparation"

Die dreiteilige Reihe von Schaurestaurierungen blickt hinter die Kulissen der Museumsarbeit – und konkret in die Vorbereitungen für den Neubau der Nationalgalerie am Kulturforum. „Maikäfer flieg!“ ist eines von acht Werken Anselm Kiefers (geb. 1945) aus der Sammlung Marx, die seit 1996 im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin in wechselnden Ausstellungen präsentiert wird. Für die Sammlung Marx mit ihrem Schwerpunkt auf Werken von Joseph Beuys, Robert Rauschenberg, Cy Twombly, Andy Warhol und Anselm Kiefer ist im Nationalgalerie-Neubau ein eigener Ausstellungsbereich geplant.

Einblick in das Restaurierungslab

Fast 50 Jahre nach seiner Entstehung wird das Gemälde „Maikäfer flieg!“ für die Präsentation im Neubau restauriert. Kiefer bedient sich in seinen Kunstwerken oftmals ursprünglicher Werkstoffe wie Blei, Sand und Stroh. Bei „Maikäfer flieg!“ ließ er auf grobem Rupfengewebe mittels dicker Ölfarbschichten reliefartige Farblandschaften entstehen.

Die Schaurestaurierung gewährt Besucher*innen einen Einblick in das Tätigkeitsfeld von Restaurator*innen – von der kunsttechnologischen Untersuchung der Materialtechnik bis hin zur konkreten Ausführung von Konservierungsmaßnahmen am Werk. Arbeitstechniken wie die Materialuntersuchung mittels UV, VIS und mikroskopischer Vergrößerung finden dabei ebenso Anwendung wie die Oberflächenreinigung und Konsolidierung (Festigung) der Malschicht.

Der Arbeitsprozess wird fortlaufend an der Info-Station im Restaurierungslab dokumentiert. Der Blick hinter die Kulissen zeigt, dass Restaurierung im Museum nachhaltig und zukunftsweisend ist, gehören doch Pflege und Bewahrung der Werke zu den Grundpfeilern der musealen Sammlungsarbeit.

Anselm Kiefers „Maikäfer flieg!“ – ein Werk über Vernichtung und Schuld

Das Gemälde „Maikäfer flieg!“ von Anselm Kiefer gehört zu jenen Werken der Sammlung Marx, in denen die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte vielschichtige Formen annimmt.

Rauchende Ackerlandschaft: „Pommerland ist abgebrannt“

Im Vorder- und Mittelgrund des Bildes erstreckt sich eine versengte, in einigen Bereichen noch brennende, rauchende Ackerlandschaft. Düstere Menschheitsereignisse, Naturkatastrophen und Kriegszerstörungen werden hier heraufbeschworen. Im Kontrast dazu ist am Horizont eine Hügellinie zu sehen, die an friedvollere Zeiten denken lässt.

Im Entstehungsjahr des Gemäldes, 1974, behandelte Kiefer in einer Reihe von Arbeiten das Thema der verbrannten Erde, das im Zuge der Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs Adolf Hitlers „Nero-Befehl“ in den Blick nimmt. Diese nie ausgeführte Anordnung hätte 1945 die komplette Zerstörung der deutschen Infrastruktur bedeutet.

Bildgewordenes Kriegstrauma

Bei „Maikäfer flieg!“ verbindet Kiefer die Landschaftsdarstellung mit dem gleichnamigen Kinderlied, dessen Text in der linken oberen Ecke des Gemäldes zu lesen ist: „Maikäfer flieg, der Vater ist im Krieg, die Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt…“. Das bekannte Volkslied ist seit etwa 1800 in zahlreichen Varianten nachweisbar und stellt das Kriegstrauma eines Kindes in den Mittelpunkt. Angesichts von Flucht und Vertreibung vor allem auch aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten gewann das Lied nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland an neuer Popularität.

Material als Bedeutungsträger

Durch die vielschichtigen Bezüge seines Werkes macht Kiefer jedoch deutlich, dass die Verantwortung für die Greueltaten des Nationalsozialismus und alle damit zusammenhängenden Folgen auf viele verteilt war und diese sich gerade nicht auf ihr eigenes Leid zurückziehen konnten. Sein Gemälde zeugt, nicht zuletzt auch in materieller Hinsicht, von einem Umschwung in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, makellose Oberflächen brüchig und verdrängte Wahrheiten sichtbar werden zu lassen. Das in der Schaurestaurierung untersuchte Material wird so in besonderer Weise zum inhaltlichen Bedeutungsträger.

Begleitprogramm

Aufgrund der anhaltenden Einschränkungen im Zeichen der Corona-Pandemie können nur drei Veranstaltungen angeboten werden. Die Schaurestaurierung wird jedoch während der Öffnungszeiten des Museums in Gesprächen vor Ort vermittelt und der Arbeitsprozess wird anhand von Fotografien an der Info-Station dargestellt. Auch wird eine filmische Dokumentation erstellt.

Die Reihe „In Preparation“ wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.