03.09.2020
Gemäldegalerie
Dank des Kaiser Friedrich Museumsvereins und mit Unterstützung der Friede Springer Stiftung ist das Gemälde „Sarah führt Abraham Hagar zu“ von Matteus Stom an die Gemäldegalerie zurückgekehrt. Das großformatige Werk des niederländischen Malers war 2019 an die Erben des Berliner Kunsthändlers Heinrich Ueberall restituiert worden und konnte nun zurückerworben werden. Jetzt ergänzt es – neu präsentiert in Saal IX – zwei weitere Werke Stoms und komplettiert die Caravaggisten-Sammlung der Gemäldegalerie.
„Jede Restitution von Kunstwerken ist vor dem Hintergrund der düsteren Vergangenheit ein berührender Vorgang“, so Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. „Ich bin sehr dankbar, dass es uns im Fall von Heinrich Ueberall gelungen ist, eine gerechte Lösung zu finden und die Werke an seine Erben zurückzugeben. Ebenso danke ich dem Kaiser Friedrich Museumsverein, dem es durch sein schnelles und flexibles Handeln und mit Unterstützung der Friede Springer Stiftung gelungen ist, das großartige Werk für die Gemäldegalerie zu sichern.“
Tessen von Heydebreck, Vorsitzender des Kaiser Friedrich Museumsvereins: „Unser Verein, der 2022 sein 125-jähriges Bestehen feiert, geht mit diesem Ankauf neue Wege. Die Themen Provenienz und Restitution sind heute bestimmend in deutschen Kunstmuseen. Mit diesem Rückkauf eines restituierten Werkes beweist unser Verein seine Flexibilität in der Reaktion auf aktuelle Anforderungen. Wir konnten ein bedeutendes Werk der Sammlung sichern und so dazu beitragen, den historischen Bestand der Gemäldegalerie zu bewahren.“
Der 1869 in Jaroslawl (Galizien) geborene Heinrich Ueberall war 1899 mit seiner Frau Rebekka nach Berlin gezogen, wo er einen florierenden Kunst- und Antiquitätenhandel betrieb. Aufgrund der zunehmenden Repressalien durch das NS-Regime war Ueberall gezwungen, seine Kunsthandlung zwischen 1936 und 1938 aufzugeben; bereits zuvor hatte er mehrere Kunstwerke als Kreditsicherheit an die Dresdner Bank übergeben. Ueberall beantragte 1939 erfolgreich ein britisches Einreisevisum für sich und seine Frau, doch der Kriegsausbruch machte eine Ausreise unmöglich. Heinrich Ueberall wurde im September 1939 in das KZ Sachsenhausen deportiert, wo er noch im selben Monat verstarb. Seine Witwe nahm sich 1942, nachdem sie einen Deportationsbescheid erhalten hatte, das Leben. Rebekka Ueberall lebte zum Zeitpunkt ihres Todes vollkommen mittellos in einer sogenannten Judenwohnung. Der Gerichtsvollzieher stellte posthum keinerlei Vermögenswert fest. Die beiden Kinder konnten in die USA bzw. nach Großbritannien fliehen.
1935 verkaufte die Dresdner Bank dem preußischen Staat ein Konvolut von über 4.000 Kunstwerken, das kurz darauf an die Staatlichen Museen übergeben wurde – darunter auch zehn Werke der Sammlung Ueberall, von denen jedoch einige bald darauf weiterverkauft wurden, andere kriegsbedingt abhandengekommen oder verschollen sind.
Seit Anfang 2018 erforscht das Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin in einem Provenienzforschungsprojekt diesen von der Dresdner Bank erworbenen Bestand auf verfolgungsbedingt entzogene Werke. Etwa zeitgleich hatte sich Irena Strelow als Vertreterin der Erben von Heinrich Ueberall mit einer Restitutionsanfrage an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gewandt. Im April 2019 wurden fünf Werke aus dem ehemaligen Besitz Ueberalls – darunter auch das Gemälde von Matteus Stom – an die Eignerfamilie restituiert. Diese gab das Gemälde bei Sotheby’s in London zur Auktion, wo es dem Vorstand des Kaiser Friedrich Museumsvereins mit Unterstützung der Friede Springer Stiftung gelang, das Werk zu ersteigern.
Das Gemälde „Sarah führt Abraham Hagar zu“ schildert eine Szene des Alten Testaments: Der 86-jährige Abraham, Stammvater Israels, und seine Frau Sarah sind kinderlos geblieben. Um für Nachkommen zu sorgen beschließt Sarah, ihrem Mann die junge ägyptische Magd Hagar zuzuführen. Stoms Gemälde zeigt den in das warme Licht einer Öllampe getauchten Moment des Zusammentreffens in Abrahams Schlafgemach. Der glaubwürdige Ausdruck der Figuren und ihre überzeugenden, verhaltenden Gesten verleihen der Szene ihre besondere Spannung und Dramatik.
Der um 1600 im niederländischen Amersfoort geborene Maler Matteus Stom ließ sich um 1630 in Italien nieder und schloss sich den sogenannten Caravaggisten an. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, die nur kurze Zeit in Italien verbrachten, lebte und arbeitete er hier bis zu seinem Tod. Seine Werke sind, neben der effektvollen Lichtinszenierung, von einer ausdrucksvollen Gebärdensprache und einer charakteristischen Farbbehandlung gekennzeichnet.
In der Gemäldegalerie lässt sich die Entwicklung und Verbreitung des Caravaggismus, dieser besonderen Strömung in der Malerei des Barock, so gut wie lückenlos nachvollziehen. Matteus Stom ist als einer der wichtigsten Repräsentanten der niederländischen Caravaggisten in der Gemäldegalerie durch eine in sich schlüssige Gruppe von drei großformatigen, biblischen Gemälden – darunter auch die Darstellung von „Sarah führt Abraham Hagar zu“ – hervorragend vertreten. Durch die Rückkehr des Bildes ist dieser bedeutende Werkkomplex jetzt wieder hergestellt und für künftige Generationen gesichert worden.
1897 durch Wilhelm von Bode gegründet, gehört der Kaiser Friedrich Museumsverein zu den ältesten Freundeskreise Deutschlands. Als Förderverein der Gemäldegalerie und Skulpturensammlung ist er ein beispielgebendes Finanzierungsmodell für öffentliche Sammlungen und Inbegriff bürgerlichen Mäzenatentums. Weitere Informationen unter: www.kaiser-friedrich-museumsverein.de.