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Restitution mit Rückkauf: Drei Engel mit dem Christuskind aus der Sammlung Saulmann verbleiben im Bode-Museum

25.06.2018
Bode-Museum

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat erneut ein NS-verfolgungsbedingt entzogenes Werk aus der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin an die Erben restituiert. Die aus dem 15. Jahrhundert stammende Engelsgruppe konnte im Anschluss für die Sammlung zurückerworben werden.

Die Skulpturensammlung konnte dank eines externen Hinweises die Herkunft des Werkes klären. Es hatte bis 1936 zur Kunstsammlung von Ernst und Agathe Saulmann gehört, die als Juden in der NS-Zeit verfolgt wurden. Das Ehepaar floh Ende 1935 nach Italien. Da es die Reichsfluchtsteuer nicht bezahlt hatte, wurde sein Vermögen beschlagnahmt. Die Sammlung wurde gepfändet und im Juni 1936 im Münchner Auktionshaus Adolf Weinmüller versteigert. Vor diesem Hintergrund kontaktierte die SPK die Erben, um das Werk zu restituieren.

Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Direktor von Skulpturensammlung und Gemäldegalerie: „Die Staatlichen Museen zu Berlin sind glücklich, dass durch das große Entgegenkommen der Erben nach Ernst und Agathe Saulmann dieses bedeutende Werk für das Bode-Museum erhalten bleibt.“

Felix de Marez Oyens erklärt: „In den vergangenen sechs Jahren haben Provenienzforscher für unsere Berliner Anwaltskanzlei Von Trott zu Solz Lammek elf Objekte aus der Kunstsammlung von Ernst und Agathe Saulmann ausfindig gemacht: in fünf deutschen Museen und drei ausländischen Privatsammlungen. Meine Familie konnte mit all diesen Einrichtungen und Sammlern unterschiedliche Einigungen erzielen. Das Bode-Museum ist allerdings die einzige Einrichtung, die selbstständig geforscht hat und mit den Ergebnissen auf uns zugekommen ist. Dafür sind wir der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dankbar und überzeugt davon, dass meine Stiefmutter, deren Großvater Julius Lessing der erste Direktor des Berliner Kunstgewerbemuseums war, darüber erfreut gewesen wäre, dass wir diese gerechte und gütliche Vereinbarung getroffen haben.“

Hermann Parzinger, Präsident der SPK: „Für uns war in diesem Fall sofort klar, dass wir entsprechend der Washingtoner Prinzipien das Werk restituieren würden. Gleichzeitig freue ich mich, dass es möglich war, das Stück für die Sammlung anzukaufen, in der es seit Jahren regelmäßig ausgestellt war. Dafür danke ich den Erben.“

Die Familie Saulmann

Das deutsch-jüdische Ehepaar Ernst (geb. 1881) und Agathe (geb. 1898) Saulmann aus Eningen / Pfullingen bei Reutlingen war Inhaber der Mechanischen Baumwollweberei Eningen und besaß eine umfangreiche Kunstsammlung. Agathe war die Tochter des Berliner Architekten Alfred Breslauer und eine der wenigen Pilotinnen in der Weimarer Republik. Die Repressalien der NS-Zeit führten dazu, dass das Ehepaar 1935 zunächst nach Italien, 1938 nach Frankreich flüchtete. 1936 wurde ihr Landgut, der Erlenhof in Pfullingen, gepfändet und verkauft. Der Kunstbesitz – über 100 Objekte – und die Bibliothek gelangten am 26. und 27. Juni 1936 in die Auktion „Alter deutscher Kunstbesitz“ bei Adolf Weinmüller in München und wurden versteigert. Das Verzeichnis der Besitzer des Auktionskataloges nannte als Vorbesitzer „S. in R.“. 1934 hatte die Reichskammer der Bildenden Künste angeordnet, dass Einlieferer im Auktionskatalog verschlüsselt anzugeben sind.

Der deutsche Staat entzog den Saulmanns wenig später die deutsche Staatsbürgerschaft. Ernst und Agathe Saulmann wurden in Frankreich im Camp Gurs interniert, wo seine Gesundheit stark litt. Er verstarb 1946. Agathe Saulmann strengte nach Kriegsende ein Wiedergutmachungsverfahren an, das als eines der größten in der französischen Besatzungszone galt. Infolge der rassischen Verfolgung litt sie an Depressionen und verstarb an den Folgen eines Selbstmordversuches 1951. Alleinerbin war ihre Tochter aus erster Ehe, Nina de Marez Oyens.

Drei Engel mit dem Christuskind (ca. 1430-40)

Das Werk aus Lindenholz (25,5 cm hoch, 30 cm breit) zeigt drei halbfigurige schwebende Engel, die über einem Wolkenband ein Tuch ausgebreitet halten, auf dem das schlafende Kind ruht. Es war ursprünglich farbig gefasst und vermutlich in eine Art Rahmen eingefügt. Das Werk stammt aus dem Umkreis von Hans Multscher. Sowohl die Gesichter als auch die Stoffe ähneln jenen in Werken von Hans Multscher aus der Zeit um 1430. Multscher, ein in Ulm seit 1927 nachgewiesener Maler und Bildhauer, ist eine Schlüsselfigur bei der Übertragung französischer Innovationen in die deutsche Bildhauerkunst. In den Staatlichen Museen zu Berlin befinden sich von ihm eine Skulptur der Maria Magdalena (Skulpturensammlung, Ident.Nr. 5923) und die Flügel des so genannten Wurzacher Altars (Gemäldegalerie).