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Provenienzforschung: Faire und gerechte Lösung mit den Erben von Curt Glaser

22.04.2016
Kunstbibliothek

Nach einer ersten Restitution im Jahr 2012 wurden kürzlich erneut Werke aus der Sammlung Prof. Dr. Curt Glasers (1879 – 1943) bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz identifiziert. Prof. Glaser, Museumsdirektor und Kunstsammler, verlor aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1933 sein Amt und emigrierte. Mit seinen Erben traf die SPK nun eine Vereinbarung, die den Verbleib der Werke in den Sammlungen der Stiftung ermöglicht.

Im Zuge der systematischen Erforschung der Bestände des Kupferstichkabinetts wurden zwei Zeichnungen identifiziert, die die Nationalgalerie sie auf einer der beiden Auktionen, bei denen Prof. Glaser seine Kunstsammlung versteigern ließ, erworben hatte. Bei Recherchen in der Kunstbibliothek wurden außerdem 26 Fotografien gefunden, die ebenfalls aus dem Alteigentum Prof. Glasers stammen. Sie gehören zu einem Bestand von ca. 10.000 Fotografien, die er kurz vor seiner Emigration 1933 der Kunstbibliothek schenkte, die jedoch weitgehend als verloren gelten müssen.

In Anerkennung der Verfolgung Prof. Glasers durch das Nazi-Regime und in Würdigung seiner großen Verdienste für die Staatlichen Museen zu Berlin einigten sich die SPK und die Erben von Prof. Dr. Curt Glaser im Rahmen einer fairen und gerechten Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien darauf, dass die Werke gegen Leistung einer Entschädigungszahlung im Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verbleiben.

Hermann Parzinger, Präsident der SPK, sagt dazu: „Ich freue mich, dass wir durch die systematische Erforschung unserer Bestände immer öfter aktiv auf mögliche Berechtigte zugehen können, um mit ihnen faire und gerechte Lösungen zu finden. Auch die Würdigung der betroffenen Personen, deren Leben und Wirken aufgrund der NS-Säuberungen in Vergessenheit geraten ist, wie etwa Prof. Dr. Curt Glaser, ist uns dabei ein großes Anliegen.“

Rechtsanwalt David J. Rowland erklärt für die Glaser Erben: „Ohne nationalsozialistische Verfolgung wäre Prof. Curt Glaser nicht gezwungen gewesen, seine Heimat zu verlassen und sich von einem Großteil seines Besitzes zu trennen. Vor diesem Hintergrund danken die Erben von Prof. Dr. Curt Glaser den Entscheidungsträgern der SPK außerordentlich für ihre eigenständigen Forschungen und ihre Bereitschaft, aktiv an die Erbengemeinschaft heranzutreten. Derartiges Vorgehen ist ein Beispiel bester Museumspraxis.“

Zu Prof. Dr. Curt Glaser

Prof. Dr. Curt Glaser, geboren 1879 in Leipzig, avancierte bald nach seinem Studium der Medizin und Kunstgeschichte zu einem der profiliertesten und bekanntesten Kunsthistoriker der Weimarer Republik. Ab 1909 war er in den Berliner Museen tätig, zunächst am Kupferstichkabinett, wo er die Sammlung der modernen und zeitgenössischen Kunst durch zahlreiche Neuerwerbungen erweiterte. 1924 wurde er zum Direktor der Staatlichen Kunstbibliothek ernannt, die er in den Folgejahren von einer kunstgewerblichen Vorlagensammlung zu einer kunstwissenschaftlichen Forschungsbibliothek umbaute. Daneben baute er gemeinsam mit seiner Gattin Elsa Kolker (1878 – 1932) eine bedeutende private Kunstsammlung auf. Sie besaßen unter anderem die umfangreichste Munch-Sammlung in Berlin. Schließlich war Glaser auch einer der tonangebenden Kunstkritiker und Publizisten der Zwanziger Jahre. Mit Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Prof. Dr. Curt Glaser aufgrund seiner jüdischen Abstammung zum Verfolgten. Schon im Frühjahr 1933 wurde er vom Amt des Direktors der Kunstbibliothek beurlaubt und musste seine Wohnung räumen. Noch bevor im September 1933 seine Zwangspensionierung erfolgte, ging er im Juni 1933 mit seiner zweiten Ehefrau Maria Glaser ins Exil. Zuvor ließ er in zwei Auktionen beim Auktionshaus Max Perl im Mai 1933 große Teile seiner umfassenden Kunst- und Graphiksammlung und seiner Wohnungseinrichtung sowie seine Kunstbibliothek versteigern. Einen Teil der übrigen Kunstwerke konnte er mit ins Ausland nehmen. Ihre Emigration führte das Ehepaar Glaser über Zwischenstationen in Frankreich, in der Schweiz, in Italien und Kuba letztendlich 1941 in die USA. Prof. Glaser starb 1943 in Lake Placid, New York.

Zu den Werken

Bei den beiden Zeichnungen handelt es sich um Entwurfszeichnungen für allegorische Reliefs von Christian Bernhard Rode, beide aus dem Jahr 1796. Der in Berlin geborene Rode (1725-1797), ein Schüler Antoine Pesnes, war ab 1783 Präsident der Berliner Akademie der Künste. Durch die Einrichtung eines privaten Zeichensaals in seinem Haus förderte er die Entwicklung der Zeichnenden Künste in Berlin nachdrücklich. Seine künstlerischen Vorstellungen waren vom aufklärerisch-didaktischen Prinzip der „belehrenden Geschichtsmalerei“ geprägt. Häufig griff Rode abseitige Themen auf oder interpretierte sie auf ungewöhnliche Art und Weise. Von den Zeitgenossen oft wegen dieser modernen Orientierung kritisiert, gilt Christian Bernhard Rode heute als der wichtigste Berliner Historienmaler der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die beiden Arbeiten aus der Sammlung Glaser spiegeln die Kunst und die Bedeutung des Meisters für Berlin. Im Jahr vor Rodes eigenem und dem Tod Friedrich Wilhelms II. gezeichnet, spannt das Entwurfspaar für Reliefs den thematischen Bogen von der zeitgenössischen Herrscherglorie zur antiken Götterwelt. Der Entwurf mit einer Urne mit dem Bildniskopf Friedrich Wilhelms, begleitet von trauernden Gestalten, schafft die unmittelbare Verbindung zum Berliner Regenten. Der zweite Entwurf mit den allegorischen Darstellungen der klassischen Herrschertugenden schlägt den Bogen zurück zur antiken Mythologie.

Bei den Fotos handelt es sich um dokumentarische Aufnahmen von Kunstwerken, die Curt Glaser dem „Deutschen Bildarchiv in der Staatlichen Kunstbibliothek“ geschenkt hatte. Das „Bildarchiv“ war 1929 gegründet worden, um mit Hilfe von Fotografien, Reproduktionen und gedruckten Abbildungen eine möglichst umfassende Dokumentation von Kunst, Kunstgewerbe und Architektur zu schaffen. Im Zweiten Weltkrieg wurde es in Teilen vernichtet. Die erhaltenen Bestände wurden nach Auflösung des Bildarchivs auf verschiedene Sammlungen der Museen aufgeteilt. Somit ist nicht auszuschließen, dass sich künftig noch weitere Fotos aus der Sammlung Prof. Dr. Curt Glasers identifizieren lassen.