03.10.2014
Das 37 Meter lange, originale Wikingerschiff Roskilde 6 ist Kernstück der spektakulären Ausstellung "Die Wikinger". Es wurde 1997 bei Bauarbeiten im Hafen von Roskilde entdeckt und ist nun - nach Kopenhagen und London - erstmalig in Berlin zu sehen. Im Gespräch erklären Bernhard Heeb, Ausstellungskurator, und Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, wie das Schiff aus dem Hafenbecken ins Museum kam und welche Rolle Schiffe in der Welt der Wikinger spielten.
Wie ist das erste Vorgehen bei einem Fund wie der Roskilde 6?
Wemhoff: Die Bergung der Roskilde 6 war sehr aufwendig, weil sie unter Wasser gefunden wurde. Es kommt bei solchen Funden vor allem darauf an, das Holz feucht zu halten. Es hat zwar äußerlich noch seine ursprüngliche Form, ist aber nach so langer Zeit degeneriert und hat jegliche Substanz und Festigkeit verloren. Wenn das Holz nun unkontrolliert trocknet, zerfällt es.
Heeb: In der Regel wird das Fundstück zunächst im Block mit dem umgebenden Milieu gehoben. Im Labor kann dann seine Beschaffenheit analysiert und durch Konservierung erhalten werden.
Wie läuft die Konservierung ab, wenn die Bergung abgeschlossen ist?
Wemhoff: Der gesamte Prozess dauerte von der Entdeckung 1997 bis 2012. Das Wasser im Holz musste während der Konservierung allmählich durch Flüssigwachs ersetzt werden. Das zu konservierende Objekt wird dabei in eine Lösung getränkt, deren Konzentration stetig verändert wird, bis das Wachs schließlich in alle Hohlräume im Holz eingesickert ist. Diese Verdrängung des Wassers muss so langsam und behutsam geschehen, dass es tatsächlich Jahre dauert. Danach ist das Holz noch immer sehr feucht und muss gefriergetrocknet werden. Die Trocknung erfolgt in riesigen Vakuumkammern, in die zehn Meter lange Holzstücke hinein passen. Das ist wirklich ein eindrucksvoller Vorgang. Ich kann mich noch lebhaft erinnern, wie wir das in den Laboren des Dänischen Nationalmuseums zum ersten Mal gesehen haben.
Nun ist das Schiff nach diesem langen Prozess erstmalig in Deutschland zu sehen - welche Rolle spielt es im Konzept der Ausstellung?
Wemhoff: Das Schiff ist Grundlage für den Erfolg der Wikinger. Ohne ihre Schiffe hätten sie weder Handel und Entdeckungen, noch Eroberungen und Expansion betreiben können. Die Wikinger haben die Schiffstechnik über Jahrhunderte langsam entwickelt, bis sie zu ihren hochseetüchtigen Schiffen kamen, denen in der damaligen Welt niemand gewachsen war. Wenn ein Schiff wie die Roskilde 6 am Horizont auftaucht, dann hat man noch eine Stunde Zeit, um zu verschwinden. Sie gleitet mit ihrem flachen Kiel einfach bis ans Ufer und dann springen hundert Krieger raus - so schnell kann niemand eine Verteidigung organisieren.
Daneben gibt es natürlich auch den Aspekt des Handelns, der eigene Schiffstypen hervorbrachte. Außerdem spielt das Schiff in der Symbolik der Wikinger eine Rolle: es ist Statussymbol und wird sogar als Grabstätte genutzt. Alle Lebensbereiche der Wikinger sind vom Schiff geprägt und das wird in der Ausstellung sehr schön deutlich.
Während der Ausstellung wird der "Seehengst von Glendalough" auf der Spree liegen, ein Nachbau des Wikingerschiffes Skuldelev 2. Wie akkurat sind solche Nachbauten und welche Erkenntnisse liefern sie?
Heeb: Die Skuldelev 2 ist wesentlich besser erhalten als die Roskilde 6. Wir kennen sehr viele bautechnische Details, daher ist auch der Nachbau weitgehend perfekt. Die Schiffsbauer haben authentische Materialien, Werkzeuge und Techniken benutzt und so Informationen über Bauzeit, Materialaufwand und praktische Probleme erhalten. Die anschließende Fahrt mit der fertigen "Seehengst von Glendalough" von Roskilde nach Dublin lieferte weitere Erkenntnisse, etwa über über Reisegeschwindigkeiten und Besatzung.
Wemhoff: Wir werden in der Ausstellung Teile der Filmdokumentation zeigen, die bei der Reise entstand. Eines ist sicher: So eine Fahrt über das offene Meer war kein Vergnügen und Seefahrer-Romantik kommt da nicht auf. Die Wikinger müssen wirklich abgebrühte Kerle gewesen sein.
Neben der Roskilde wird es in der Ausstellung noch viele weitere spannende Exponate geben - worauf freuen Sie sich ganz besonders?
Heeb: Ich bin gespannt auf das Massengrab von Weymouth. Es enthält 54 enthauptete Krieger - und ist sehr wahrscheinlich das Resultat eines missglückten Wikingerüberfalls in Südengland. Wir haben in der Ausstellung Teile dieses spannenden Befundes eindrucksvoll als Massengrab nachgestellt.
Wemhoff: Ich freue mich besonders, dass wir den spektakulären Goldschatz vom Hiddensee zeigen können. Er wird als Höhepunkt und Abschluss der Ausstellung jeden Besucher in seinen Bann ziehen, weil er Goldschmiedearbeiten von einer unglaublichen handwerklichen Qualität beinhaltet. Er ist außerdem ein schönes Zeugnis des Wandels, denn die Stücke verbinden alte Motive mit dem Kreuz, dem Symbol für die beginnende Christianisierung der Wikinger.