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Die Sammlung der Nationalgalerie erhält die Bronzeplastiken „Vier Kühe“ und „Zwei Geier“ von Rembrandt Bugatti

19.05.2016
Alte Nationalgalerie

Die Nationalgalerie freut sich über den Erwerb der Bronzeplastiken „Vier Kühe“ und „Zwei Geier“ von Rembrandt Bugatti. Zwei Jahre nach der ersten großen Retrospektive des italienischen Bildhauers in der Alten Nationalgalerie gelangen damit zwei Hauptwerke des Künstlers dauerhaft auf die Berliner Museumsinsel.

Während die „Zwei Geier“ durch die Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz sowie die Freunde der Nationalgalerie erworben wurden, sind die „Vier Kühe“ eine unbefristete Leihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung. Die Nationalgalerie, die bereits seit 1906 die Figur einer „Französischen Bulldogge“ von Bugatti besitzt, ist damit das einzige Museum Deutschlands, das Bronzeplastiken dieses Bildhauers zeigen kann. 2016 ist das Jahr des einhundertsten Todestags des mit nur 31 Jahren verstorbenen Künstlers.

Vier Kühe, 1901

Bronze, jeweils ca. 20 x 40 cm, unbefristete Leihgabe der Ernst von Siemens Kunststiftung. Erworben 2015. Provenienz: Sammlung Filiberto Minozzi, erworben in der Galerie Grubicy, dann Sammlung Mario Gallini, Mailand, und Erben.

Rembrandt Bugatti war der Sohn des Möbeldesigners Carlo Bugatti und der jüngerer Bruder des Automobilkonstrukteurs Ettore Bugatti. Schon als Heranwachsender hatte Rembrandt ein auffallendes Talent für die Bildhauerei offenbart. Eine Kunstakademie hat er nie besucht. Bugattis Handschrift erwuchs dem unmittelbar und skizzenhaft anmutenden Naturalismus seiner Zeit. Früh bildet sich seine Vorliebe für das Tiermotiv heraus, wobei die Darstellung heimischer Nutz- und Haustiere weitgehend auf das Frühwerk beschränkt bleibt. Ein Foto zeigt den etwa 16-jährigen Künstler mit dem Gipsmodell von vier Kühen, die hintereinander auf einer Plinthe angeordnet sind. Das Motiv, die friesartige Komposition der Herdentiere sowie der dokumentierte Titel „Ritorno dal pascolo“ (Rückkehr von der Weide) verweisen auf den Einfluss seines Onkels Giovanni Segantini, von dem die Nationalgalerie das Gemälde „Rückkehr zur Heimat“ besitzt. Ergänzt um eine fünfte Kuh, wurde diese Arbeit Bugattis in unterschiedlichen Arrangements für die Galerie der Brüder Grubicy in Bronze gegossen, wobei die Zahl der Kühe auf einer Plinthe variierte. Getrennt voneinander gegossen wurden die Kühe vermutlich nur in jeweils einem Exemplar, deren vier sich nun in der Nationalgalerie befinden. Laut Familienüberlieferung hatte Carlo Bugatti ein Tonmodell von Kühen unter einer Decke in seinem Atelier vorgefunden und dieses irrtümlich zunächst als Werk seines älteren Sohnes Ettore betrachtet. Mithin sind die „Kühe“ Rembrandt Bugattis erstes erhaltenes Werk. Im ersten Ausstellungsgeschoss der Alten Nationalgalerie stehen sie nun in der Mitte des Barbizon-Raumes, welcher sich den Anfängen der Freilichtmalerei widmet.

Zwei Geier, 1913

Bronze, 31 x 38 cm, erworben 2015 durch die Staatlichen Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, mit Unterstützung der Freunde der Nationalgalerie. Provenienz: Privatsammlung USA

In den zoologischen Gärten von Paris und später Antwerpen entdeckte Rembrandt Bugatti sein Lebensthema: das exotische Tier: Ameisenbären, Tapire und Marabus, Yaks, Kondore und Kängurus machte der Bildhauer erstmalig in der europäischen Kunstgeschichte zum fast alleinigen Gegenstand der Plastik. Bugatti betrachtete seine Modelle lange und intensiv. Dann schuf er seine Werke meist in einem einzigen Arbeitsgang vor oder sogar im Tiergehege selbst. Seine enorme Beobachtungsgabe und die vollkommene Beherrschung seiner bildhauerischen Mittel erlaubten es ihm, das Wesen der Tiere in prägnanten Haltungen in den Ton zu bannen und ganze Verhaltensweisen szenisch auf der Plinthe zu arrangieren. Neben den Raubkatzen galt Bugattis Hauptaugenmerk den Vögeln. Sozialverhalten, Körperformen, Gefieder und Bewegungen waren für den Künstler von enormer inspirativer Kraft.

In Bugattis Darstellung zweier afrikanischer Geier sind die fließenden Modellierungen seiner Frühzeit und der Realismus seiner mittleren Schaffensjahre einer streng konturierten Komposition gewichen, die fast geometrisch wirkt und durch ihre ausladenden Formen in einen machtvollen Kontrast zu der schmalen Plinthe tritt. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges oszilliert das Werk zwischen einer kompromisslosen, fast martialischen Wirkung und dem Ausdruck beschützender Zweisamkeit – die Bu-gatti selbst im Leben verwehrt geblieben ist. Im ersten Ausstellungsgeschoss der Alten Nationalgalerie steht das Werk nun umgeben von den nicht minder existentiellen Gemälden Lovis Corinths und Max Beckmanns aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg.

Seit 1904 war Bugatti exklusiv vom Pariser Galeristen Adrien-Aurelien Hébrard vertreten worden, der seine Werke in kleinster Stückzahl im Wachsausschmelzverfahren gießen ließ, wofür er mit Albino Palazzolo über einen der besten Bronzegießer Frankreichs verfügte. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges verdüsterte sich die Stimmung des Bildhauers. 1916 nahm sich Bugatti mit nur 31 Jahren das Leben.

Mit dem Ankauf dieser beiden Werke setzt die Nationalgalerie ihre Ausstellungs- und Erwerbungspolitik fort, in deren Zentrum die Wiederentdeckung und Würdigung herausragender Künstlerpersönlichkeiten steht, die bislang im Kanon der klassischen Kunstgeschichte sowie im internationalen Ausstellungswesen kaum Beachtung gefunden haben.