Tickets

Beate Salje, Direktorin des Vorderasiatischen Museums im Interview

04.01.2011
Pergamonmuseum

Was wir schon immer über das Vorderasiatische Museum wissen wollten ... Direktorin Beate Salje weiß die Antworten.

Wer waren die wichtigsten Entdecker und Ausgräber der archäologischen Objekte Ihrer Sammlung?

Zum einen der Architekt Robert Koldewey, der ununterbrochen von 1899 bis 1917 in Babylon arbeitete und zu den Vorreitern der wissenschaftlichen Feldforschung gehört. Sein Mitarbeiter Walter Andrae begann 1903 mit den Ausgrabungen in Assur, die er 1914 beendete. 1928 wurde er zum Direktor des Vorderasiatischen Museums berufen; ihm verdanken wir die visionäre Ausstellungsphilosophie, die mit ihren großartigen Architekturrekonstruktionen die Besucher fasziniert.

Gibt es ein Ausstellungsobjekt, das Sie ganz besonders fasziniert?
Es ist nicht ein Objekt, das mich begeistert, sondern vielmehr die Art der Präsentation von Objekten der Kulturgeschichte Mesopotamiens in der überwältigenden Rauminszenierung von Walter Andrae, die unsere Besucher in die Welt des Alten Orients eintauchen lässt.

Im Vorderasiatischen Museum zeigen Sie mehrere rekonstruierte Prachtbauten der Stadt Babylon - wie steht es aber mit dem "Turm zu Babel", gab es ihn wirklich?
Ja, der siebenstufige quadratische Haupttempel des Gottes Marduk stellte die Verbindung der Menschen zu den Göttern dar. Alexander der Große ließ ihn abtragen, um in Babylon, seiner geplanten neuen Residenz im Osten, einen neuen Turm zu errichten. Durch seinen plötzlichen Tod in Babylon sind bis heute nur noch die Fundamentgräben und Teile des Turmkerns vorhanden, die aber den in den Keilschrifttexten erwähnten Maßen des Turmes von 90 mal 90 Meter entsprechen.

Was hat es mit den Tieren und Mischwesen auf sich, denen man auf der Prozessionsstraße und am Ischtar-Tor von Babylon begegnet?
Hierbei handelt es sich in der Vorstellungswelt der Babylonier um die Wiedergabe ihrer wichtigsten Götter: die Löwen in der Prozessionsstraße symbolisieren die Göttin Ischtar, Göttin der Liebe und auch des Krieges, die Stiere am Ischtar-Tor symbolisieren den Wettergott Adad, während die Drachenmischwesen, die Muschchuschschu, den obersten der Götter und Stadtgott von Babylon, Marduk, verkörpern.

Warum sollte man es nicht versäumen das Vorderasiatische Museum zu besuchen?
Weil es sich um eines der größten Museen seiner Art handelt. Durch die einzigartige Inszenierung von Architekturrekonstruktionen nahe an den Originaldimensionen wird dem Museumsbesucher ein beeindruckendes Erlebnis geboten, das es so nirgendwo sonst auf der Welt gibt.

Was wird sich durch die Sanierung des Pergamonmuseums für das Vorderasiatische Museum ändern?
Die monumentale Palastfassade aus Guzana/Tell Halaf wird künftig den Zugang vom neuen vierten gläsernen Flügel des Pergamonmuseums zum Vorderasiatischen Museum bilden. Außerdem kann das Museum dann die Kulturgeschichte Mesopotamiens und aller seiner Nachbarn durch eine Erweiterung des Ausstellungsrepertoires im gesamten Südflügel über drei Etagen präsentieren und bietet so einen noch viel umfassenderen Einblick in diese faszinierende Kulturgeschichte.

Das Interview erschien in der Museumszeitung der Staatlichen Museen zu Berlin (Ausgabe 1/2010).