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Ausstellungsprojekt „Der zweite Blick“ im Bode-Museum eröffnet „Spielarten der Liebe“ am 5. September 2019

23.08.2019
Bode-Museum

„Der zweite Blick“ ist eine integrierte Ausstellungsreihe der Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst – Staatliche Museen zu Berlin, die sich anhand aktueller gesellschaftsrelevanter Themen mit der Dauerausstellung des Bode-Museums auseinandersetzt. „Spielarten der Liebe“, der erste, in Kooperation mit dem Schwulen Museum entstandene Teil der Reihe, wirft einen zweiten Blick auf Werke, die sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten befassen. Das Bode-Museum lädt am 5. September 2019 um 18 Uhr zur Eröffnung mit Iconic House of Saint Laurent der neuen LGBTIQ*-Narration ein. 

Das Bode-Museum ist mit seinen bedeutenden Skulpturbeständen vor allem ein Museum des Menschen – keine andere Kunstgattung bildet ihn in seiner physischen Erscheinung, seiner körperlichen Präsenz und seinem individuellen Aussehen so charakteristisch ab. Die Skulpturensammlung und das Museum für Byzantinische Kunst umfassen 1.500 Jahre europäischer Kunst- und Kulturgeschichte und eignen sich daher besonders für eine Reihe wie „Der zweite Blick“, die menschliche Identitäten und ihre bildnerische Darstellung thematisiert.

Erster Rundgang zur Vielfalt sexueller Identitäten: Spielarten der Liebe

„Spielarten der Liebe“, der erste in Kooperation mit dem Schwulen Museum entwickelte Teil der Reihe, ermöglicht einen zweiten Blick auf Sammlungswerke, die sich mit der Vielfalt sexueller Identitäten, ihrer Wahrnehmung, Bewertung und künstlerischer Verarbeitung befassen. Fünf thematische, das Bode-Museum umspannende Routen zeigen, dass aktuelle LGBTQI*-Themen in der Kunstgeschichte stets präsent waren, wenngleich sie oftmals übersehen oder ignoriert wurden, und dass mit sexuellen Identitäten in verschiedenen Epochen und gesellschaftlichen Kontexten unterschiedlich umgegangen wurde.

Fünf thematische Routen innerhalb der Sammlung

Besucher*innen werden auf thematischen Routen angeregt, die Kunstschätze der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst neu und anders zu entdecken. 

Route 1 — In Liebe und Krieg

Die erste Route spürt den Grenzen zwischen Männlichkeit, Heldentum und Bisexualität nach. Der Kriegsgott Mars galt in der Antike als das wichtigste Vorbild für Männlichkeit. Seine Ehe mit der schönsten aller Göttinnen hielt Mars allerdings nicht davon ab, zahlreiche Affären mit sterblichen Männern einzugehen. Auch bei der Darstellung von christlichen Soldaten, etwa den „Vierzig Märtyrern von Sebaste“ aus dem 10. Jahrhundert, finden sich Szenen der physischen Nähe und Zuneigung.

Route 2 — Männliche Künstler und Homosexualität 

Die zweite Route folgt Kunstwerken von männlichen homosexuellen Künstlern oder solchen, die homosexuellen Kreisen nahe standen oder mit homoerotischen Sujets arbeiteten. So führt diese Route u.a. zu einer Bronzeskulptur des italienischen Renaissance-Meisters Donatello (ca. 1386–1466), der den alttestamentlichen Helden David in der Kunstgeschichte erstmalig als attraktiven, androgynen Jüngling zeigt.

Route 3 — Antike Kunst und aufgeklärtes Sammeln

Männliche homosexuelle Auftraggeber stehen im Fokus des dritten Parcours, darunter Preußens König Friedrich II. (1712–1786), der zeitlebens vertraute Beziehungen zu Männern seines Hofstaats pflegte. Eine überlebensgroße Marmorstatue nach einem Original von Johann Gottfried Schadow zeigt Friedrich in der kleinen Kuppel des Bode-Museums.

Route 4 — Heldinnen der Tugend

Die vierte Route führt zu Darstellungen von weiblicher Intimität und erotischer Liebe unter Frauen – häufig dargestellt im mythologischen Sujet der Nymphen. Diese wurden oft nackt beim Baden, Schlafen oder in erotischer Zuneigung zueinander gezeigt, wie etwa im Relief „Der Sturz des Phaeton“ von Simone Mosca (ca. 1523–1578). Verweise auf weibliche Homosexualität im Mittelalter sind hingegen rar. Der bewusste Verzicht auf eine heterosexuelle Beziehung war für viele Frauen Ausgangspunkt für ein Martyrium, das zur Heiligsprechung führte – so auch in der Legende der heiligen Margarete, die sich weigerte zu heiraten, um ihr Leben vollständig und selbstbestimmt Gott zu widmen.

Route 5 — Grenzüberschreitungen

Die fünfte Route setzt sich schließlich mit der Frage auseinander, inwieweit sich die Zuschreibung eines Geschlechts bei einer Person  aufrechterhalten lässt – etwa anhand der Doppelnatur der griechischen Liebesgöttin Aphrodite Urania, die wiederum Karl Heinrich Ulrichs (1825–1895), Vorkämpfer der Rechte Homosexueller, für seine Arbeit inspirierte. Die heilige Wilgefortis, die jungfräulich bleiben und ein christliches Leben führen wollte, bat Gott um Hilfe, um ihrer Zwangsheirat zu entgehen. Ihr wuchs ein Bart, woraufhin nicht nur die Verlobung aufgelöst sondern sie auch zum Tode am Kreuz verurteilt wurde – ein Martyrium, das eigentlich nur Männern vorbehalten war.

Leihgabe des Schwulen Museums

Das Schwule Museum ergänzt als Kooperationspartner das Projekt durch die Leihgabe von zwei Tanzmarken aus dem Berliner Tanz- und Travestie-Club „Eldorado“ aus den 1930er-Jahren. Mit diesen eigens für den Club geprägten Münzen konnten die Gäste die Travestie-Künstler*innen zwischen den Show-Darbietungen zum Tanz auffordern.

Eine Ausstellung vor Ort oder Online

Die „Spielarten der Liebe“ können vor Ort anhand von Infoblättern erforscht werden und stehen als Online-Katalog zur Verfügung. Termine, den kostenfreien Ausstellungskatalog und weitere Infos gibt es unter www.smb.museum/derzweiteblick.

Auftaktveranstaltung am 5. September 2019

Zur Auftaktveranstaltung am Donnerstag, den 5. September 2019, um 18 Uhr, zeigt das Kollektiv Iconic House of Saint Laurent – Pioniere der Ballroom-Kultur in Deutschland – die Performance „HE R E“. Der Eintritt ist frei, um Spenden für GLADT e.V., die Selbstorganisation von Schwarzen und of Color Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und Queeren Menschen in Berlin, wird gebeten.

Vortragsreihe

Die Themen werden von September 2019 bis März 2020 im Rahmen einer Vortragsreihe vertieft. Den Anfang macht der Vortrag "Jesus und sein Lieblingsjünger. Die Christus-Johannes-Gruppe im Spiegel der Zeit" von Prof. Dr. Andreas Kraß, Institut für deutsche Literatur - Humboldt Universität am 19. September 2019 

Die Vortragsreihe wird gefördert von der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung, dem Instituto Cervantes Berlin und der Botschaft von Spanien in Deutschland. „Der zweite Blick“ wird unterstützt von Museum&Location.