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Auf dem Weg zum Humboldt Forum: In Dahlem werden Highlights aus Meso- und Nordamerika eingepackt

18.04.2016
Museum Europäischer Kulturen

Seit fast einem halben Jahrhundert hing der „Lienzo Seler II“ unberührt in einer Großvitrine im Bornemann-Saal des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin. Das rund 4x4 Meter messende mesoamerikanische Baumwolltuch aus dem 16. Jahrhundert wird künftig einen zentralen Platz im Humboldt Forum einnehmen. In Vorbereitung des Umzugs wurde die Vitrine am 18. April 2016 erstmals seit 1970 geöffnet. 

Der „Lienzo“ kann nun erstmals umfassend untersucht werden. Von großem Interesse sind Farbanalysen, die Bestimmung der Lichtschädigung, UV-Aufnahmen stark verblasster Malstellen und die erstmalige digitale Dokumentation des Lienzo. Das Abnehmen, Reinigen und Rollen sowie die Herstellung der Transportverpackung und die erneute Montage im Humboldt Forum sind logistische Herausforderungen, die das Museum bis zur Schließung der neuen Riesenvitrine im Schloss begleiten werden.

Im Anschluss an die Öffnung des Vitrine des Lienzo Seler II stellten Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums, und Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den Abbau der Ausstellung zu Nordamerika vor. Hierfür wurde die Nulis-Maske, eines der Symbolobjekte des Humboldt Forums,  zur anschließenden Restaurierung und Verpackung aus ihrer Vitrine entnommen.

Der Lienzo Seler II

Lienzos (span.: Baumwolltücher) aus indianischer Hand von überdimensionalem Format sind typisch für die frühe Kolonialzeit (16.Jh.). Der Lienzo Seler II ist ein „Übergangsdokument“, d.h. er weist überwiegend Daten im präkolumbischen Stil auf, ergänzt durch europäische Darstellungen und Glossen in den Sprachen Nahuatl, Mixtekisch und Chocho. Er stammt aus dem im heutigen Gebiet von Oaxaca (Mexiko) gelegenen Tal von Coixtlahuaca.

Der Lienzo Seler II ist das größte und zugleich „globalste“ Exemplar der insgesamt 12 Exemplare umfassenden sog. „Coixtlahuacagruppe“ von Lienzos. Eine schwarzweiß gefleckte Grenze (Jaguarfell) grenzt das Tal von Coixtlahuaca mit den dazu gehörigen Ortschaften ein. Über den Lienzo verteilt finden sich nicht nur Toponyme wie Ortszeichen, vorspanische Pyramiden und Tempel, Wasserläufe, Felder, Fußwege, eine spanische Kirche, sondern auch mythisch-historische Aufzeichnungen wie die Neufeuerzeremonie anlässlich der Ortsgründung von Coatepec oder Säulen mit den Stammbäumen lokaler Kazikenpaare wie wir sie aus den Codices kennen. Kriegerische Auseinandersetzungen sind ebenso verzeichnet wie die Hängung von Indianern durch einen spanischen Richter.

Der Lienzo Seler II ist derzeit Gegenstand eines von Viola König geleiteten Forschungsprojekts des Exzellenzclusters TOPOI.

Die Nulis-Maske

Die sogenannte Verwandlungsmaske der Kwakwaka'wakw wurde durch den norwegischen Kapitän Adrian Jacobsen im Zuge seiner Sammlerreise an die pazifische Nordwestküste erworben und 1883 nach Berlin gebracht. Das Stück im Ethnologischen Museum gilt als das älteste erhaltene seiner Art. Auf der Maske dargestellt ist der Nulis, ein Urahne der Kwakwaka'wakw. Ist die Maske geschlossen, zeigt sie ein dunkles, zorniges Gesicht; offen zeigt sie ein freundlicheres, farbenfrohes Gesicht. Getragen wurde die Maske vermutlich bei Potlatch-Festen. Diese dienten dazu, Geschenke zwischen den verschiedenen Clan-Mitgliedern auszutauschen und so eine gerechte Güterverteilung zu gewährleisten.

Heute arbeitet das Ethnologische Museum eng mit den Nachfahren der Besitzer der Maske und Mitgliedern der Kwakwaka'wakw zusammen. So besuchte der kanadische Künstler Carey Newman 2012 die Maske seines Ururgroßvaters.