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Der Babel-Bibel-Streit
Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900

05.11.2019 bis 13.03.2020
Pergamonmuseum

Das Moses Mendelsohn-Zentrum Potsdam und die DFG-Kollegforschungsgruppe „Rethinking Oriental Despotism“ der Freien Universität Berlin führten vom 4. bis 6. November 2019 eine internationale Konferenz unter dem Titel „Der Babel–Bibel–Streit und die Wissenschaft des Judentums“ durch. Aus Anlass dieser Tagung widmet sich das Vorderasiatische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin in einer Studienausstellung dem Thema.

Am 13. Januar 1902 hatte Friedrich Delitzsch (1850–1922), Professor für Assyriologe an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität und im Nebenamt Direktor der 1899 gegründeten Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen, einen folgenreichen Vortrag gehalten. In Anwesenheit des Kaisers vertrat er in der Singakademie (dem heutigen Maxim-Gorki-Theater) die unerhörte These, dass die jüdische Religion und die Schilderungen des Alten Testamentes auf babylonische Vorlagen zurückzuführen seien.

War der Kaiser von diesen Ideen zunächst sehr angetan, ließ er Delitzsch nach heftigen Protesten fallen. Weil der Altorientalist noch in zwei weiteren Vorträgen auf seinen Ausführungen beharrte, kam es zu einem heftigen Streit zwischen Theologen und Vertreten der noch jungen Altorientalistik. Die mitunter sehr polemischen Auseinandersetzungen führten einerseits zu einer enormen Popularisierung der deutschen Ausgrabungen in Vorderasien und insbesondere in Babylon. Andererseits ließen Feuilletons und  Satirezeitschriften das Bildungsbürgertum an dem akademischen Streit auf unterhaltsame Weise teilhaben.

Veränderungen zur Jahrhundertwende

Der Babel-Bibel-Disput war u. a. Ausdruck der sich auf wissenschaftlichem, wirtschaftlichen, politischen und sozialem Gebiet vollziehenden Veränderungen am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die voranschreitende Industrialisierung führte einerseits zu einem enormen wirtschaftlichem Wachstum, andererseits aber auch zu einer Verschärfung der sozialen Probleme.

Staat und Kirche verloren an Einfluss, gleichzeitig entwickelten sich die Natur- und angewandten Wissenschaften rasant. Es entstanden neue Wissenschaftsdisziplinen und an den Universitäten wurden neue Lehrstühle eingerichtet. So konnte sich auch die Assyriologie als eigenes Fach, zunächst an den Universitäten Leipzig, Breslau und Berlin, etablieren. Das Studium der Keilschriftexte und ihr besseres Verständnis eröffneten völlig neue Betrachtungsweisen auch hinsichtlich bestimmter Schilderungen in den biblischen Schriften, die Delitzsch in seinen Vorträgen aufgriff.

Friedrich Delitzsch und der Kaiser

Nach einer Einführung in das Thema Bibel und Babel werden Friedrich Delitzsch als Protagonist des Disputs und der Kaiser als Vertreter einer konservativen Staatsräson vorgestellt. In der Regentschaft Wilhelm II. änderten sich die Leitlinien der deutschen Außenpolitik. Die damit verbundene Abwendung von Russland und das Streben nach einem Bündnis Deutschlands mit dem Osmanischen Reich dienten den wirtschaftlichen und militärischen Expansionsbestrebungen des Kaiserreichs im Nahen Osten. Gleichzeitig führte diese Politik aber auch zu einer Intensivierung der Grabungstätigkeit deutscher Archäologen in Mesopotamien.

Archäologische und philologische Quellen

Ein weiterer Themenschwerpunkt sind die archäologischen und philologischen Quellen, die Delitzsch zur Untermauerung seiner Thesen in den Vorträgen herangezogen hat. Neben Keilschrifttafeln sind das u. a. Kopien des Schwarzen Obelisken aus Nimrud, des Kodex Hammurabi, eine der ältesten Gesetzessammlungen der Welt, und die Marmorskulptur „Eva mit ihren Kindern“ von Adolf Brütt. Im Zusammenhang mit Delitzsch‘ Erörterungen werden auch die bereits vor seinen Vorträgen existierenden panbabylonischen Vorstellungen kurz skizziert.

Die Reflexion des Streits in den Printmedien

Der dritte Teil der Ausstellung widmet sich der Rolle der Printmedien bei der Reflexion des Streits. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren in Berlin über 1.000 Zeitungen und Zeitschriften im Umlauf. Für die Satireblätter war der Disput eine willkommene Gelegenheit, auf die gesellschaftspolitischen Missstände im Kaiserreich hinzuweisen. Insbesondere originelle Karikaturen, die Friedrich Delitzsch und seine Gegner zeigten, trugen den Streit in alle sozialen Schichten und Gruppen hinein. Eine repräsentative Auswahl der Karikaturen und Zeitungszitate beschließen die kleine Sonderschau.

Die Ausstellung wird ermöglicht durch das Einstein Center Chronoi, den Förderverein Freunde der Antike auf der Museumsinsel, Museum & Location und die Deutsche Orient-Gesellschaft.

Gruppenbild mit assyrischer Königin (v. l. n. re.: Stefan Geismeier, Nadja Cholidis, Lutz Martin, Helen Gries und Daniel Meyer)
© Staatliche Museen zu Berlin, Vorderasiatisches Museum / Foto: Olaf M. Teßmer

James-Simon-Galerie, Bodestraße
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