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Legal – Illegal?

Die Umstände der Grabungen und Ausfuhr archäologischer Objekte aus Sam'al, Didyma und Samarra im Osmanischen Reich nach Berlin während des frühen 20. Jahrhunderts

Mit der Etablierung der Archäologie als wissenschaftlicher Disziplin kam es seit dem 19. Jahrhundert vor allem im Osmanischen Reich zu großangelegten Grabungen. Die Funde, die dabei gemacht wurden, gelangten in Museumssammlungen auf der ganzen Welt. Jüngste Forschungen zeigen, dass damals existierende osmanische Gesetze und Regelungen zur Aufteilung und Ausfuhr archäologischer Objekte nicht immer eingehalten wurden. Vor diesem Hintergrund untersuchen erstmalig die Antikensammlung, das Museum für Islamische Kunst und das Vorderasiatische Museum unter Leitung des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Research Center for Anatolian Civilizations (ANAMED) der Koç Universität Istanbul exemplarisch drei ausgewählte Grabungsorte.

In vielen Gebieten des Osmanischen Reiches wirkten bis 1918 ungleiche Machtverhältnisse. Viele Teile des Reiches standen unter der kolonialen Herrschaft der Osmanen. Hinzu kamen europäische Mächte, die auf unterschiedliche Weise ihre imperialen Interessen verfolgten. Unter anderem gründeten sie Institutionen, die im Osmanischen Reich archäologische Grabungen durchführten. Ziel war die Vergrößerung der Sammlungen in den europäischen Museen. Ausgrabung und Ausfuhr fanden jedoch nicht immer auf legalem Weg statt.

Auch die Königlichen Museen zu Berlin führten Grabungsprojekte durch und vergrößerten so ihre Bestände erheblich. Es wurden auch Objekte unter dem Mantel der offiziellen Museumsgrabungen, aber vorbei an der legalen Fundteilung und ohne offizielle Genehmigung nach Berlin verschickt. Andere wurden von Dritten ausgegraben und später auf dem Kunstmarkt für die Berliner Museen erworben. Im Pilotprojekt „Legal – Illegal?“ werden beispielhaft für diese museale Aneignungspraxis des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts die Berliner Sammlungsbestände aus den drei Grabungsorten Sam'al und Didyma in der heutigen Türkei und Samarra im heutigen Irak untersucht. Da die Mechanismen des Exports archäologischer Objekte nach Berlin bisher nicht systematisch erforscht sind, werden im Rahmen des Projekts die Umstände der Ausgrabung, der Ausfuhr sowie die wechselnden und komplexen Machtverhältnisse zwischen osmanischen und internationalen Institutionen und ihren Angehörigen untersucht. In den Fällen, in denen offizielle Verträge über die Aufteilung der Funde existieren, wird das Projekt hinterfragen, ob diese immer gleichberechtigt verfasst wurden. Erstmalig wird dabei durch Kooperationspartner*innen in Istanbul auch die osmanische Perspektive auf die Grabungstätigkeiten systematisch erforscht.

Ziel des Projekts ist, mit Hilfe eines internationalen Expert*innengremiums einen Leitfaden zu entwickeln, in dem problematische Erwerbungssituationen definiert sowie Kriterien und Methoden zur Erforschung von Sammlungsbeständen aus diesem Kontext benannt werden. Der Leitfaden soll künftig nationale wie internationale Museen dabei unterstützen, die Provenienz ihrer archäologischen Sammlungen auf problematische Grabungsfunde des beginnenden 20. Jahrhunderts hin zu erforschen.


Einrichtungen: Antikensammlung, Museum für Islamische Kunst, Vorderasiatisches Museum, Zentralarchiv, Staatliche Museen zu Berlin
Projektleitung: Dr. Christine Howald 
Projektkoordination: Birgit Sporleder 
Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen: Dr. Mustafa Kemal Baran​​​​​​, Dr. Nicola Crüsemann, Stefanie Janke, Dr. Artemis Papatheodorou, Dr. Laura Puritani
Kooperationspartner: Research Center for Anatolian Civilizations (ANAMED) der Koç Universität Istanbul
Projektförderung: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste
Laufzeit: März 2023 bis Februar 2025