Nach dem Statut der Staatlichen Museen zu Berlin dient das Rathgen-Forschungslabor insbesondere der naturwissenschaftlichen und technologischen Untersuchung von Sammlungsobjekten der Staatlichen Museen zu Berlin, sowie der anderen Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Durchführung langfristiger eigener Forschungsprojekte ist gleichermaßen Auftrag des Statuts. Das RF kann ebenfalls in geringem Maße Anfragen von externen Auftraggebern übernehmen.
Das RF ist bundesweit eine von wenigen Forschungseinrichtungen, die materialübergreifend Untersuchungen an Museumsobjekten durchführt, um auf konservierungswissenschaftliche, kunsttechnologische und archäometrische Fragestellungen gezielt antworten zu können. Zusätzlich unterhält das RF Forschungen, die auch zu naturwissenschaftlichen Fragestellungen aus der Denkmalpflege und zur Erhaltung archäologischer Stätten im Allgemeinen beitragen.
Vergleichbare Einrichtungen sind das Doerner-Institut der Bayerischen Staatssammlungen in München, das Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie gGmbH in Mannheim mit dem Klaus-Tschira-Archäometrie-Zentrum an der Universität Heidelberg, das Römisch-Germanische Zentralmuseum mit der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz und das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum sowie die Landesämtern für Denkmalpflege und die Fachhochschulen. In allen die Untersuchung und Erhaltung von mobilem und immobilen Kunst- und Kulturgut betreffenden Fragen, hat das RF als naturwissenschaftliche Einrichtung der Staatlichen Museen dadurch eine national einzigartige Stellung inne und strebt an, eines der deutschen Kompetenzzentren im Bereich der Kulturerbeforschung zu werden.
Um national und international die führende Rolle auf dem Gebiet der Kulturerbeforschung im weitesten Sinne weiterhin spielen zu können, ist es notwendig, die Ressourcen und Kompetenzen des RFs weiterzuentwickeln. Entsprechend den Empfehlungen der Strukturkommission der Staatlichen Museen zu Berlin wird einerseits eine Verknüpfung zu den ursprünglichen Wurzeln des Forschungslabors im 19. Jahrhundert geschaffen, wie auch eine bessere Vorbereitung auf die Herausforderungen, die die Kulturerbeforschung des 21. Jahrhunderts stellt, ermöglicht.
Die Umsetzung des Leitbildes des RFs wird durch fünf gleichwertige Themengebiete und fünf transversale Aufgabenbereiche erreicht:
Die Präventive Konservierung ist eine neue Entwicklung der Konservierungsforschung und befasst sich mit der Optimierung der Lagerungs- und Ausstellungsbedingungen zur Erhaltung von Sammlungsgut. Zum einen können dadurch nachhaltig Schäden vermieden, aber auch restauratorische Eingriffe und damit entstehende Kosten reduziert werden.
Die Themen der präventiven Konservierung sind breitgestaffelt:
Seit 2009 beschäftigt sich das RF aktiv mit dem nachhaltigen Schädlingsmanagement in den Sammlungen und Institutionen der SPK (engl. Integrated Pest Management: IPM). Das IPM steht für die Vermeidung von Objektschäden durch Insekten, ohne dabei auf Biozide zurückzugreifen, die eine Gefahr für Museumsmitarbeiter und –besucher darstellen könnten. Die Folgen des Einsatzes von Bioziden in den Museumseinrichtungen stellen eine Herausforderung beim Schutz der Mitarbeiter vor diesen Giften dar. Das RF beschäftigt sich daher auch mit der Untersuchung der Belastung des Sammlungsguts mit Bioziden, um sich einen Überblick über die Kontamination zu verschaffen, die damit verbundenen Risiken besser einschätzen können und Wege der Dekontamination zu erstellen.
Ferner werden die Erhaltungsbedingungen des Sammlungsguts durch Maßnahmen zur Optimierung der Beleuchtung verbessert, d.h. es wird an einer zeitgemäßen Lichtpolitik gearbeitet, sowie Schadstoff- und Klimakontrollen in Sammlungsbereichen durchgeführt. Das RF hat in diesem Bereich mit Erfolg Kompetenzen erarbeitet, die deutschlandweit einzigartig sind.
Eine besondere Herausforderung bei der Analyse von Sammlungsobjekten stellt die Tatsache dar, dass die Untersuchungsgegenstände ‚alt‘ und damit nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand vorhanden sind. Zwischen ihrer Entstehung und dem Moment der Analyse haben die Objekte unterschiedliche Bedingungen erlebt, welche verschiedenartigste Spuren an den Kulturgütern hinterlassen haben. Oberflächen verändern sich, indem Farben verblassen, Schmutz anhaftet, Metalle oxidieren, Pigmente verfärben, Bindemittel krepieren, usw..
Um die alterungsbedingten Veränderungen der Objekte zu verstehen, ist notwendig, chemisch-physikalische Untersuchungen der Prozesse durchzuführen. Teilweise müssen die Prozesse auch künstlich nachgestellt werden z.B. durch künstliche Alterung in Klimakammern. Aus den gewonnen Analyseergebnissen müssen korrekte Rückschlüsse auf das in der Vergangenheit hergestellte Objekt gezogen werden können. Das bessere chemisch-physikalische Verständnis der alterungsbedingten Veränderungen kann dann auch als Wissen zur Verbesserung der Maßnahmen zur präventiven Konservierung und in der Konservierungswissenschaft dienen.
Die Konservierungswissenschaft definiert sich als angewandte Forschung zur besseren Erhaltung und zum verantwortlichen Gebrauch von beweglichem und unbeweglichem Kunst- und Kulturgut, sowie Sammlungen. Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Entwicklung neuer Materialien und effizienter Techniken für die Konservierung und Restaurierung der Sammlungsobjekte.
Eine Weiterentwicklung der Konservierungswissenschaft kann nur durch intensive Zusammenarbeit mit den Restauratoren der Sammlungen erreicht werden. Beispiele solcher Arbeiten sind die neue Entwicklung von sanfteren Reinigungsverfahren mittels Plasma- oder Weichpartikelstrahlen. In enger Kooperation mit den anderen Kollegen der SPK
Die Kunsttechnologieforschung untersucht die Materialien der Kunstwerke, um Rückschlüsse auf Produktionstechniken, Werkstattpraktiken, sowie thematischen Studien zu Künstlern, Schulen, Perioden und Einflüssen durchzuführen. Kunsttechnologische Untersuchungen können ebenfalls die Provenienzforschung unterstützen sowie helfen Fälschungen zu identifizieren. Sie sind heute ein wichtiger Bestandteil und dienen als Grundlage vieler kunsthistorischer Forschungen.
Neue technologische Entwicklungen neben der klassischen Röntgenaufnahme vor allem mit zwei- und dreidimensionalen bildgebenden Verfahren sind in vielen naturwissenschaftlichen Einrichtungen von Museen, Bibliotheken und Archiven heutzutage Standard. Diese wichtige Weiterentwicklung wird auch vom RF mitverfolgt und es wird versucht, in enger Abstimmung mit Kunsthistorikern und Restauratoren diesen neuen Teil des Arbeitsfeldes in die Kompetenzen des RFs zu integrieren.
Unter den Begriff der Archäometrie fallen Untersuchungen zur Datierung, zur Aufklärung von kulturellen Beziehungen, Technologietransfer und Handelswegen, die sich auf die genaue Charakterisierung archäologischer Materialien stützen.
Dabei kommen vor allem sehr empfindliche Analyseverfahren, die Spurenelement- bzw. Isotopenverhältnisse in den archäologischen Materialien genauesten bestimmen können, zur Anwendung. Diese Studien stützen sich häufig auf komplexe Datenbanken und benötigen komplizierte Auswerteroutinen, die statistische Auswertemethoden einschließen. In all diesen Projekten ist die enge Zusammenarbeit mit Archäologen und Restauratoren von außerordentlicher Wichtigkeit.
Das RF übernimmt prinzipiell alle kleinen Analysenaufträge und Aufträge bzgl. der präventiven Konservierung aus den anderen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin in einem Umfang von ca. 20% des gesamten Arbeitsvolumens, wenn sie gerätetechnisch und personell möglich sind.
Bei umfangreicheren Anfragen aus den Sammlungen werden die Aufträge im Rahmen des jährlichen Arbeitsplans strukturiert und je nach vorhandenen Ressourcen zeitnah durchgeführt. Die Hälfte des Arbeitsvolumens des RFs wird diesen sogenannten internen Staatlichen Museen zu Berlin-Projekten gewidmet. Sowohl die laufenden als auch die internen Aufträge beziehen sich auf alle Arbeitsfelder des RFs.
Ein Drittel seines Arbeitsvolumens widmet das RF der Entwicklung, Konzeption und Durchführung von Forschungsprojekten.
Die Forschungsthemen widmen sich wie auch die Aufträge allen fünf Arbeitsfeldern des Labors. Je nach vorhandenen Kapazitäten können verschiedene Forschungsrichtungen in ihrem Umfang variieren.
Um die Service- und Forschungsleistungen nachhaltig zu gewährleisten, bestrebt das RF eine umfangreiche und so aktuell und reproduzierbar wie mögliche Dokumentation aller Analyseergebnisse an.
Dies geschieht dank einer ausgereiften internen Dokumentationspolitik der Berichterstattung sowie durch das Erstellen von spezialisierten Datenbanken, wie z. B. Spektren-Datenbanken zu bestimmten Material- bzw. Objektgruppen. Diese Daten werden, soweit es möglich ist, digital abgelegt und verwaltet.
In enger Zusammenarbeit mit den anderen Einrichtungen der Staatlichen Museen zu Berlin und der SPK sollen die notwendigen Instrumente zum Austausch und zur Verbreitung von Wissen entwickelt werden, wie Datenbanken oder internetfähige Oberflächen. Nur so kann der in der Vergangenheit am RF erarbeitete einzigartige Wissensfundus einer interessierten Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Veröffentlichungen auf nationaler und internationaler Ebene dienen ebenfalls der Vermittlung der Ergebnisse und des Wissens des RFs. Eine regelmäßig aktualisierte Internetseite dient des Weiteren zur Wissensvermittlung sowie die jährlich vom RF herausgegebene Zeitschrift „Berliner Beiträge zur Archäometrie, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft“, in der in deutscher und englischer Sprache Fachartikel publiziert werden können. Das RF beteiligt sich an der Organisation von Workshops und Konferenzen und hält regelmäßig auch öffentliche Seminare.
Die Bedeutung langfristiger und international vernetzter Forschungsprojekte ist inzwischen unbestritten. Die notwendige Ankopplung des RFs an die starke Entwicklung der europäischen Forschungslandschaft während der letzten 20 Jahre, insbesondere in Abstimmung mit den entsprechenden Museumsinstitutionen sowie mit universitären vergleichbaren Einrichtungen bedarf besonderer Anstrengungen.
Durch das kürzlich ins Leben gerufene Archäometrie-Netzwerk Berlin-Brandenburg im Rahmen des Berliner Antike Kollegs, die Forschungsallianz Kulturerbe sowie die Europäische Infrastruktur IPERION-CH (2015-19), in der das RF mit 27 anderen Partnern beteiligt ist, wird die internationale Vernetzung des RFs seit 2015 verstärkt und ein effektiver Wissenstransfer gewährleistet.
Neben der Einbindung der Wissenschaftler des RFs in verschiedene Hochschulprogramme sind Studenten, Praktikanten, junge Wissenschaftlern und Restauratoren, die am RF ihre Magister- bzw. Doktorarbeit durchführen, sowie Postdoktoranden seit vielen Jahren ein weiteres wichtiges Element erfolgreich durchgeführter Forschung.
Mittelfristig sollten alle Anstrengungen unternommen werden das RF im Raum Berlin einen Master bzw. PhD-Studiengang anzuschließen. Erste Bemühungen sind im Rahmen des Berliner Antike Kollegs gemacht worden.