22.02.2024
Museum für Vor- und Frühgeschichte
Neandertaler in Frankreich verwendeten vor über 40.000 Jahren einen Klebstoff aus Ocker und Bitumen, um Steinwerkzeuge mit Griffen zu versehen. Reste dieses Klebstoffs hafteten noch an den Objekten, die aus der berühmten Fundstelle Le Moustier in die Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin gelangten. Diese Entdeckung bietet Einblicke in die kognitiven Fähigkeiten der Neandertaler, die lange unterschätzt worden sind.
Frühe Menschen aus dem heutigen Frankreich nutzten bereits vor mehr als 40.000 Jahren einen Klebstoff aus mehreren Komponenten, um Steinwerkzeuge mit Griffen zu versehen. Sie stellten eine ausgeklügelte Mischung aus Ocker und Bitumen her, zwei Rohstoffen, die aus der weiteren Region beschafft werden mussten. Es handelt sich um den bisher frühesten Fund eines Mehrkomponentenklebers in Europa. Das hat die Aufarbeitung von Stücken aus der Neandertalerfundstelle Le Moustier in der Dordogne unter der Leitung von Dr. Patrick Schmidt aus der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Universität Tübingen und Dr. Ewa Dutkiewicz vom Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin ergeben. Die Entwicklung von Klebstoffen und deren Einsatz für die Herstellung von Werkzeugen gelten als einer der besten materiellen Belege für die kulturelle Evolution und die kognitiven Fähigkeiten früher Menschen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.
Die Steinwerkzeuge aus Le Moustier werden in der Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte aufbewahrt und waren bisher nicht näher untersucht worden. Der Schweizer Archäologe Otto Hauser hatte sie aus dem oberen Felsüberhang von Le Moustier geborgen. Sie wurden in einer Schicht aus der mittleren Altsteinzeit entdeckt. Die Epoche wird sogar nach dem Fundort Le Moustier als Moustérien bezeichnet wird. Die Neandertaler nutzen die Höhle vor 120.000 zum ersten Mal, vor 40.000 Jahren endeten die Aufenthalte der Neandertaler.
Bei einer internen Aufarbeitung des Sammlungsbestandes wurde jetzt ihr wissenschaftlicher Wert erkannt. „Die Sammlungsstücke waren einzeln verpackt und seit den 1960er-Jahren unberührt. Dadurch waren die anhaftenden Reste organischer Stoffe sehr gut erhalten“, berichtet Ewa Dutkiewicz. Aus dem unteren Felsüberhang der Fundstelle Le Moustier stammt der Schädel eines jugendlichen Neandertalers, der zu den wertvollsten Objekten in den Berliner Sammlungen gehört.
Besucher*innen können in der Dauerausstellung zur Steinzeit im Neuen Museum aktuell den Schädel des jugendlichen Neandertalers sehen sowie andere Steinartefakte aus der Fundstelle. Es ist geplant, die Steinartefakte aus dieser Studie ebenfalls in die Dauerausstellung zu integrieren.
Patrick Schmidt, Radu Iovita, Armelle Charrié-Duhaut, Gunther Möller, Abay Namen, Ewa Dutkiewicz: Ochre-based compound adhesives at the Mousterian type-site document complex cognition and high investment, Sci. Adv. 10, eadl0822 (2024) 21 February 2024, 10.1126/sciadv.adl0822.