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Rückkehr des Kriegsverlustes „Porträt der Schimpansin Missie“ von Anton Puchegger in die Alte Nationalgalerie

02.12.2014
Alte Nationalgalerie

Die Nationalgalerie freut sich über die Rückkehr der Skulptur "Porträt der Schimpansin Missie" von Anton Puchegger. Das 1916/17 entstandene Werk markiert einen Höhepunkt der Holzskulptur nach 1900 und galt seit 1945 als im Krieg verbrannt. "Missie" hatte sich zuvor als Leihgabe der Nationalgalerie im Zoologischen Garten befunden. Erst 2011 wurde durch Recherchen in Vorbereitung einer Ausstellung im Berliner Bröhan-Museum bekannt, dass sich das unsignierte Werk in einem nichtöffentlichen Bereich des Zoologischen Gartens nahezu unversehrt erhalten hatte: Seit spätestens 1957 hatte die Skulptur in der Dienstwohnung des Zoodirektors Heinz-Georg Klös (1926-2014) gestanden, dessen Familie das Werk hütete und schätzte. Das Wissen um die Eigentumsverhältnisse war nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen großen Zerstörungen im Zoo wie auch bei den Museen verlorengegangen.

2014 gelang durch Recherchen des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin die Identifizierung der "Schimpansin Missie" als Eigentum der Nationalgalerie. Daraufhin kehrte die Holzskulptur zurück in die Nationalgalerie und wurde sehr sorgfältig gereinigt, konserviert sowie minimal restauriert. Seit wenigen Tagen nun steht das Werk an herausragender Stelle im Treppenhaus der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel. Der Bildhauer Anton Pucheggger (1878 Payerbach am Semmering - 1917 Davos) zog nach einer Ausbildung an der Holzschnitzerfachschule in Bozen 1892-1896, dem Studium an der Kunstakademie in Wien 1897-1899 und einem anschließenden Studienaufenthalt in Paris als freier Bildhauer nach Berlin. Neben zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen in Deutschland und Österreich trat er ab 1909 vor allem mit Entwürfen von Plastiken für die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin in Erscheinung, die sich als herausragende Beispiele der Tierplastik noch heute in vielen Museen und Sammlungen finden. Zudem entwarf der Bildhauer auch für den Bronzeguss oder die Vervielfältigung in Stein.

Pucheggers größte Leidenschaft aber gehörte dem Holz. Unverkennbar ist seine künstlerische Handschrift aus der Widerständigkeit dieses Werkstoffes erwachsen, dessen Charakteristik er auch in andere Materialien zu übertragen verstand: Zusammenfassung und Vereinfachung von Formen, Gliederung durch Grate und Reduktion von Volumina machen das plastische Verständnis des Niederösterreichers aus; seine Werke stehen zwischen der Eleganz des Jugendstils und der Entschiedenheit des Expressionismus, welcher der Holzplastik eine neue Bedeutung gegeben hatte. Mit seiner lebensgroßen, 81 cm hohen Sitzfigur eines Affenweibchens aus Rio-Palisander schuf Anton Puchegger seine großformatigste Skulptur. Die Kameruner Schimpansin Missie war 1902 nach Berlin gekommen und aufgrund ihres vermeintlich "menschlichen" Verhaltens zum Publikumsliebling des Berliner Zoos avanciert. Zahlreiche Postkarten aus dieser Zeit zeugen von der Popularität dieser Zoobewohnerin.

Anton Puchegger ist einer der wenigen Bildhauer seiner Zeit, der sowohl der Anmut als auch der Agonie des Zootieres konsequent Ausdruck verliehen hat: Zudem steht "Missie" exemplarisch für Pucheggers gekonnte Balance von Charakter und Stil. Kubisch belassen erscheint die Silhouette; dezent sind die Proportionen überzeichnet. Insbesondere die kraftvollen, zwischen den Beinen verschränkt hängenden Arme und der sich abwendende Kopf dominieren die Komposition und verleihen der Figur jene ebenso monumentale wie in sich gekehrte Wirkung, wie sie für Pucheggers beste Arbeiten maßgeblich ist. Das Porträt der Schimpansin Missie, vor dessen gänzlicher Vollendung Puchegger starb, wurde nach Fürsprache des Berliner Zoodirektors Ludwig Heck 1918 von der Nationalgalerie durch Ludwig Justi erworben und zur Aufstellung an den Zoo ausgeliehen. Zuvor hatte auch der Kunstkritiker Fritz Stahl das Werk als eine der "stärksten plastischen Arbeiten, die ich kenne", gelobt und eine Erwerbung für die Nationalgalerie propagiert. "Dieser Mann war nicht nur geborener Plastiker, sondern geborener Holzplastiker", so Fritz Stahl. "Er liebte die Tiere, ... aber Motive wurden sie ihm erst, wenn sie sich als Gebilde aus Holz gestalten ließen. ... Jede Art von Fell oder Gefieder übersetzte sich in seiner Phantasie in einen gewissen Zustand eines gewissen Holzes."

Ab 1926 sollte die Figur der Schimpansin Missie auf einem hohen Sockel im neuerbauten Affenpalmenhaus einen imposanten Aufstellungsort erhalten. Wie der Schöpfer ihres Porträts so hatte jedoch auch das Affenweibchen die Hungerzeiten des letzten Kriegsjahres nicht überstanden, sondern war im Winter 1917/18 verendet. Puchegger selbst starb in Davos an Lungentuberkulose,in Armut und Auszehrung infolge des Ersten Weltkrieges - er wurde nur 39 Jahre alt. Pucheggers letzte, wohl als sein Hauptwerk zu betrachtende Skulptur galt in der Nationalgalerie nach 1945 als Kriegsverlust. Im Inventarbuch ist verzeichnet, sie sei 1945 im Zoo verbrannt. Der Bildhauer, der nicht auf die Betreuung seines Nachlasses durch einen bekannten Galeristen zählen konnte, geriet nach seinem  Tod schnell in Vergessenheit. Etwa zehn seiner stets unsignierten Holzplastiken sind dokumentiert, nur drei davon haben sich museal erhalten und befinden sich heute allesamt in der Nationalgalerie. Eine weitere Figur ist in schottischem Privatbesitz nachweisbar.