Archäologie, Kunstgeschichte sowie Ethnologie ist neben ihrer Etablierung als akademische Disziplinen um 1900 nicht nur das Arbeiten mit Objekten, sondern auch mit Fotografien gemeinsam, die zu Substituten ihrer Forschungsgegenstände wurden. Ausgehend von neuesten Studien über die Materialität von Fotografien und Fotoarchiven betrachtet der Forschungsverbund „Foto-Objekte“ Dokumentarfotografien als dreidimensionale, von historischen Vorgängen geformte Objekte, die als Träger von sedimentiertem Wissen in sozialen und kulturellen Kontexten agieren.
Er untersucht vergleichend, wie sich die Herausbildung der geisteswissenschaftlichen Methoden, die Entwicklung und Verbreitung fotografischer Techniken sowie die Errichtung fachbezogener Fotoarchive in den Jahrzehnten vor und nach 1900 wechselseitig bedingten. Im Zentrum stehen dabei Techniken und Praktiken des wissenschaftlichen Arbeitens an und mit Fotografien. Sie sind „Foto-Objekte“ im doppelten Sinne: Nicht nur bilden Fotografien Objekte ab, sondern sind selbst, aufgrund ihrer körperlichen, affektiven, historischen und transformativen Qualitäten, materielle Artefakte. Das Projekt soll das wissenschaftliche Potenzial der Fotoarchive in Museen, Universitäten und Forschungsinstituten erschließen sowie ein Modell für die fächerübergreifende Vernetzung verschiedener Sammlungen entwickeln. Gleichzeitig kann es neue Erkenntnisse im Hinblick auf disziplinenübergreifende Prozesse der Kanonbildung liefern.
Für die interdisziplinäre Bearbeitung dieser Frage arbeiten in dem Verbundprojekt vier Institutionen zusammen, an denen eine Fotosammlung existiert und Forschung betrieben wird. Das Netzwerk besteht aus den Partnern: Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, Max-Planck-Institut, Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek und Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, sowie dem Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Untersucht werden an der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek Architekturfotografien aus den USA und Europa um 1900: Aufnahmen abrissgefährdeter kolonialer Bauwerke an der Ostküste der USA des amerikanischen Fotografen Frank Cousins (1851-1925) und der Fotobestand vorbildhafter historischer und zeitgenössischer Bauten aus verschiedenen europäischen Ländern des Architekturverlags Ernst Wasmuth A.G.. Sie erlauben eine Analyse der engen Verbindung zwischen Fotografie, Denkmalschutz und der Betrachtung historischer und zeitgenössischer Architektur, wie sie für die Zeit um 1900 charakteristisch ist. Architekturfotografie spielte eine entscheidende Rolle im zeitgenössischen Diskurs über Architektur und Ästhetik sowie in der Denkmalpflege.
Dank der im Verbund versammelten Vielfalt an Kompetenzen und Fotoarchivierungspraktiken aus Museum, Universität und Forschungsinstitut können die zentralen Thesen des Vorhabens erarbeitet werden: die spezifische Materialität der Fotografie in ihren vielfältigen Erscheinungsformen, die Veränderungen der Fotografien selbst durch unterschiedliche Nutzungen und Gebrauchsweisen, die Überlagerung der Bildinhalte durch die verschiedenen wissenschaftlichen Fachdiskurse.
Wissenschaftliches Team: Dr. Ludger Derenthal (Leiter), Stefanie Klamm (Wissenschaftliche Mitarbeiterin), Andras Veg (Studentische Hilfskraft)
Kooperationspartner: Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut (Photothek), Antikensammlung, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Europäische Ethnologie)
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderschwerpunktes „Die Sprache der Objekte – Materielle Kultur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen“
Laufzeit: 2015 bis 2018