In öffentlichen Museen wie auch in privaten Sammlungen finden sich heute Gegenstände, die im Kontext des gewaltreichen „Boxerkrieges“ zwischen 1900 und 1901 in China geplündert wurden. Mehr als 20.000 Soldaten waren allein aus dem Deutschen Reich in dieser Zeit vor Ort. Militärangehörige, aber auch Diplomat*innen, Missionar*innen oder Kaufleute plünderten in imperialen Palästen, Tempeln, Geschäften und Privathaushalten. Sie brachten kaiserliches Porzellan, religiöse Objekte, Gemälde, Waffen, Bücher oder Alltagsgegenstände in großer Anzahl nach Deutschland. Daneben waren sieben weitere Nationen, aber auch lokale Akteur*innen aktiv an den Plünderungen beteiligt. Über den internationalen Kunsthandel gelangten zahlreiche Objekte aus diesem Kontext auch noch Jahrzehnte später in öffentliche und private Sammlungen.
In diesem Workshop wurde anhand konkreter Fallbeispiele erstmals ein Überblick über Raubgut aus dem sogenannten Boxerkrieg in öffentlichen Sammlungen des deutschsprachigen Raums gegeben. Kurator*innen, Provenienzforscher*innen und Expert*innen aus Museen, Bibliotheken, Universitäten und dem Kunsthandel, aber auch private Sammler*innen diskutierten gemeinsam Methoden zum Erforschen der Provenienz von Sammlungsbeständen aus diesem Kontext und benannten die besonderen Herausforderungen ihrer Erforschung.
Der Workshop war eine Veranstaltung des vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten und in Kooperation mit dem Palastmuseum Peking durchgeführten Projekts „Spuren des ‚Boxerkrieges‘ in deutschen Museumssammlungen – eine gemeinsame Annäherung“ , das unter Leitung des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin im Verbund von folgenden sieben Museen durchgeführt wird: Museum für Asiatische Kunst und Ethnologisches Museum der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt (MARKK) und Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) in Hamburg, GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig, Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main und Museum Fünf Kontinente in München.
Prof. Dr. Cord Eberspächer: "Raffa derf ma, un wer’n net g’straft". Der Boxerkrieg, die Plünderung Pekings und ihre Spuren bis in die Gegenwart
Dr. Paul Franke: „Der Buddha im Teich“ – Rekonstruktion von Plünderungspraktiken im Zuge des „Boxerkrieges“ in Nachlässen deutscher Soldaten
Kerstin Pannhorst: „Denkwürdigkeiten (…) aus jenen Pekinger Tagen“: deutsche Offiziere und Objekte aus dem ‚Boxerkrieg‘
Niklas Leverenz: Geplündert und eingeschmolzen: die beiden goldenen Glocken des Himmelstempels in Peking
Dr. Birgitta Augustin: Wann ist ein Geschenk ein Geschenk? Objekte aus der ‚Sühnemission‘ des Prinzen Chun II in der Galerie China und Europa - die Hofkunst Chinas
Ricarda Brosch: Plündern in Pekings Peripherie: die westlichen Kaisergräber der Qing
Dr. Alexander Reis: „Morgens 6 Uhr Abmarsch“. Das Tagebuchfragment eines Soldaten des Zweiten Seebataillons im Archiv des Deutschen Schifffahrtsmuseums
Maik Jachens: „Aus dem Kaiserpalast“? – Die Herkunft der Sammlung von Königsmarck im Landesmuseum Hannover
Dr. Bettina Zorn: Zum Umgang mit Raubgut aus der Zeit des „Boxerkriegs“ (1900) in der Sammlung des Weltmuseum Wien
Dr. Susanne Knödel: Auf Provenienz fokussieren, ohne Objekte zu erschlagen? Ein Lösungsversuch im MARKK Hamburg
Dr. Birgitta Augustin: Provenienzgeschichten als Ausstellungsnarrative – die Galerie zur Hofkunst Chinas am Museum für Asiatische Kunst Berlin
Dr. Yu Filipiak: Dresden Raubgut? – Objekte aus der Zeit des Boxeraufstandes am Museum für Völkerkunde Dresden
Dr. Bernhard Wörrle: Verdächtige Exponate aus China in der Sammlung des Deutschen Museums München
Basil Bucher: Das Konvolut von Gebsattel - Objekte des ‚Boxerkrieges‘ im Museum der Kulturen Basel
Dr. Emily Löffler: „Tauschmaterial Seifhennersdorf“ – Schenkung von Privatpersonen – Beutegut aus China? (Deutsche Nationalbibliothek Leipzig)
Jan Waßmann: Museumsobjekte aus dem Boxerkrieg (Überseemuseum Bremen)
Sven Littgen: Verdachtsmomente im Deutschen Klingenmuseum Solingen
Dr. Sabine Lang und Sabine Hesemann: „Boxer“-Waffen am Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim