Porzellan, Bronzen, Bildrollen – hunderte von Objekten aus China in deutschen Museumssammlungen stammen aus Plünderungen, die um 1900 im Kontext des sogenannten „Boxerkrieges“ stattfanden. Ihre problematische Herkunft ist in den wenigsten Fällen bekannt, die unterschiedlichen Wege, auf denen sie in deutsche Sammlungen gelangten, nur ansatzweise erforscht. Erstmals tun sich unter der Leitung des Zentralarchivs der Staatliche Museen zu Berlin in diesem Projekt sieben deutsche Museen zusammen, um in Kooperation mit dem Palastmuseum Peking ihre Bestände systematisch nach Plünderware aus dem Boxerkrieg zu befragen und gemeinsam deren Provenienzen zu erforschen.
In der westlichen Literatur als „Boxer“ bezeichnete Kämpfer waren Ende des 19. Jahrhunderts treibende Kraft einer antiimperialistischen Bewegung in Nordchina, die den Namen Yìhétuán Yùndòng (義和團運動, Bewegung der Verbände für Gerechtigkeit und Harmonie) trug. Die Aufständischen griffen zunächst christliche Missionar*innen und ihre chinesischen Anhänger*innen, bald auch ausländische Unternehmer*innen und Diplomat*innen an. Im Mai 1900 breiteten sich die gewalttätigen Ausschreitungen bis nach Peking aus und gipfelten im Juni in einer Belagerung ausländischer Gesandtschaften. Eine Acht-Nationen-Allianz, zu der auch das Deutsche Reich gehörte, entsandte Truppen nach China. Während des sogenannten „Boxerkrieges“ von 1900-1901 wurden nicht nur die Aufständischen auf brutalste Art und Weise niedergeschlagen, Peking wurde zudem ausgeraubt und gebrandschatzt. Tausende von Kunstwerken und anderen Artefakten aus den Plünderungen gelangten in der Folge direkt oder auch indirekt, zum Beispiel über den Kunsthandel, in deutsche Museumssammlungen, wo sie bis heute aufbewahrt und ausgestellt werden.
Das Projekt Spuren des Boxerkrieges in deutschen Museumssammlungen untersucht sowohl Objekte in den einzelnen Institutionen als auch Akteur*innen, die in deren Raub, Transport und Handel verwickelt waren. Dabei sollen museumsübergreifend historische Mechanismen des Sammelns dieser sensiblen Objekte in Deutschland sichtbar gemacht werden. Ziel des Projekts ist neben der Erforschung der Sammlungsbestände die Herausgabe eines methodologischen Leitfadens. Dieser wird die Basis für eine umfassendere Aufarbeitung der im Kontext des „Boxerkrieges“ stehenden chinesischen Sammlungsbestände in nationalen wie internationalen Museen schaffen.
Einrichtungen: Museum für Asiatische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin, Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig, Museum Angewandte Kunst Frankfurt am Main, Museum Fünf Kontinente München
Projektleitung: Dr. Christine Howald
Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Kerstin Pannhorst (bis Juli 2024)
Kooperationspartner: Palastmuseum Peking
Projektförderung: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Projekt-ID: KK_LA03_I2021)
Projektlaufzeit: November 2021 bis März 2025