Das Buch von den „Drei Welten“ („Traiphum“, Thonburi, 1776; heute im Museum für Asiatische Kunst Berlin, Inv. Nr. II 650) zählt zu den schönsten und ältesten Prachthandschriften der thailändischen Buchkunst. Die 33 Meter lange Leporello-Handschrift aus dem 18. Jahrhundert stammt aus Thailand (früher Siam) und enthält farbenprächtige Darstellungen der buddhistischen Kosmologie auf Vorder- und Rückseite. In dieses kosmologische Grundschema sind viele buddhistische Legenden eingeflochten.
Das Faltbuch ist unbestritten ein kunst- und kulturgeschichtliches Highlight. Doch stellt das Manuskript die Betrachtenden auch vor große Herausforderungen. Denn fast alle Bilder sind von Beischriften begleitet, deren Entzifferung besonderer Fachkompetenzen bedarf. Sie sind nämlich in verschiedenen Sprachen (Thai, Pali) und zwei Schriften geschrieben (Thai in Thai-Schrift, Pali in Khom-Schrift; beide in Hofschreiberschrift des 18. Jahrhunderts). Ohne Lesung der Beischriften können die Malereien inhaltlich nicht tiefergehend erschlossen werden. Eine Bearbeitung der Beischriften war daher schon lange gewünscht, im optimalen Falle Hand in Hand mit der kunstwissenschaftlichen Erforschung der darin präsentierten Bildwelt.
Das zu Beginn 2023 neu eingerichtete Programm „Das Kollaborative Museum“ (CoMuse) am Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst Berlin ermöglichte nun diese so lange ersehnte Bearbeitung: Seit Oktober 2023 arbeiten der thailändische Manuskriptologe Dr. Peera Panarut und die Kuratorin Martina Stoye gemeinsam am Pracht-Manuskript Traiphum.
Dr. Peera Panarut ist ein in vielen klassischen Sprachen studierter Absolvent der namhaften Chulalongkorn Universität Bangkok im Fach „Thai Sprache und Literatur“. 2013 kam er an die Universität Hamburg, wo er zuletzt am Exzellenzcluster „Understanding Written Artefacts“ über thailändische Manuskripte und Inschriften forschte. Er bereist weltweit Archive, Museen und Bibliotheken, um thailändische Handschriften zu sichten, und ist herausragender Experte für die thailändische Schriftkultur.
Für das Pilotprojekt wurde gemeinsam ein Sechs-Meter-Abschnitt ausgesucht, der die idyllische und zugleich abgeschiedene Welt des Himavanta-Waldes mit seinen herrlichen Seen, Tieren und Pflanzen, den Verlauf des südlichen Stroms vom Himavanta-Wald in die Menschenwelt und viele darin verortete Jatakas (Vorgeburtsgeschichten des Buddha) zeigt.
Erst die fachkundige Lesung der Beischriften durch den thailändischen Projektpartner ermöglicht ein solides Verständnis der unzähligen Darstellungen und erweckt das prachtvolle Manuskript nicht nur für die Fachwelt, sondern zeitnah auch für vielfältige Museumspublika zu neuem Leben.
Für die Präsentation dieses herausragenden ̶ Bild und Text vereinenden ̶ Werkes in jeweils immer neu zu erschließenden Sechs-Meter-Abschnitten wurde eigens eine sechs Meter lange Vitrine angefertigt, die im 3. OG des Humboldt-Forums in Raum 311 („Religiöse Kunst aus Südostasien“) steht.
Die Ergebnisse der kollaborativen Forschung werden zunächst in Kurztexten vermittelt, die zusammen mit dem Manuskript in der Vitrine ausliegen. Dann werden sie in Ausstellungsgesprächen, Fachvorträgen und Forschungsschriften präsentiert. Derzeit schreiben die beiden Forschenden gemeinsam an einer vertiefenden Publikation zu dem seit Juni 2024 ausliegenden Sechs-Meter-Abschnitt.
Als eine sehr große Ehre und einen herausragenden Moment empfanden die Kollaborationspartner*innen, dass Anfang Juli 2024 Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Maha Chakri Sirindhorn, mit Delegation das Humboldt Forum besuchte und sich – unter anderem – die Arbeit an der Traiphum Handschrift vorstellen ließ.
Ab Anfang 2025 wird die Fortführung der kollaborativen Forschung zusätzlich durch Drittmittel von Seiten der Universität Hamburg gefördert. So können dem Publikum 2025 zwei weitere Sechs-Meter-Abschnitte der Traiphum-Handschrift, neu erforscht, vorgestellt werden. Ende 2025 soll das gesamte Pracht-Manuskript digitalisiert sein und auch online betrachtet werden können.
Projektleitung: Martina Stoye (Kuratorin für die Kunst Süd- und Südostasiens, Museum für Asiatische Kunst)
Kooperationspartner: Dr. Peera Panarut (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for the Study of Manuscript Cultures, im Exzellenzcluster ‚Understanding Written Artefacts‘), ab 2025 Projektmitarbeiter aus Drittmitteln der Universität Hamburg
Freier Mitarbeiter Digitalisierung: Patrick Held
Projektförderung: CoMuse-Projekt (Ethnologisches Museum/Museum für Asiatische Kunst); ab 2025 auch Drittmittel der Universität Hamburg
Projektlaufzeit: Wissenschaftliche Erforschung in interdisziplinärer Kollaboration mit Dr. Peera Panarut: Phase 1 („Sechs Meter Traiphum“): Oktober 2023 bis Juni 2024, Phase 2 („Decoding the Berlin Traiphum“)“; Januar 2025 bis März 2026 (Digitalisierung mit Patrick Held: Januar 2025 bis Dezember 2025)