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Bewegungsmelder Nr. 10: Wer darf (nicht) Lucia sein?

02.11.2018
Museum Europäischer Kulturen

Im Bewegungsmelder zeigt das MEK Sammlungsobjekte mit Bezug zu aktuellen Themen, dieses Mal aus Schweden. Dort wird am 13. Dezember das Fest der heiligen Lucia gefeiert. An diesem Tag finden zahlreiche Konzerte statt, bei denen die Figur der Lucia im Mittelpunkt steht: Sie trägt ein weißes Gewand mit rotem Band. Mit einer Kerzenkrone auf dem Kopf wird sie als Lichtbringerin im dunklen Winter gefeiert.

Eine alte Tradition? Mitnichten. Erst im 20. Jahrhundert hat sich dieses vormals westschwedische Ritual aus verschiedenen (vor)christlichen und säkularen Bräuchen entwickelt und in ganz Schweden verbreitet. Jede Kita, jede Schule, jede Stadt: Alle haben heute ihren Lucia-Chor. Kinder fiebern ihrem Auftritt als Lucia, Sternenjunge oder Pfefferkuchenmännchen entgegen.

Aber wer darf Lucia sein? Die Zeitung Stockholms Dagblad machte 1928 aus der Wahl einen Schönheitswettbewerb. Dies prägte jahrzehntelang das aus der perfiden damaligen Rassenideologie gespeiste Ideal einer blonden, nordischen Lucia, obgleich die heilige Lucia auf Sizilien gelebt haben soll. Ein öffentliches Streitthema ist die Frage nach wie vor. Als die 14-jährige Astrid Cederlöf 2012 als Lucia im Mittelpunkt einer TV-Übertragung stand, sah sie sich wegen ihrer dunklen Hautfarbe rassistischen Kommentaren ausgesetzt. 2016 warb die Kaufhauskette Åhléns mit dem Bild eines kleinen Jungen als Lucia. Erneut brach ein Shitstorm los – wegen seines Geschlechts und seiner Hautfarbe. Das motivierte andere Schwed*innen mit und ohne Migrationshintergrund zu solidarischen Akten im Internet: Unter den Hashtags #JagÄrLucia, Ich bin Lucia, und #JagÄrHär, Ich bin hier, machten sie ein vielfältiges Bild von Lucia und schwedischen Identitäten sichtbar. Auch die Ministerin für Kultur und Demokratie Alice Bah Kuhnke, Tochter einer Schwedin und eines Gambiers, postete ein Bild von sich als Lucia. Der schwule Tenor Rickard Söderberg machte sich 2017 auf Instagram als Lucia dafür stark, dass auch Männer Lucia sein können.

Rituale unterliegen immer dem Wandel ‒ es gibt keine „Originalversion“, die Ablauf und Gestaltung für immer festlegt. Ob Mädchen oder Junge, ob kurze oder lange Haare, blond- oder schwarzhaarig, jung oder alt, schwul oder hetero ‒ jeder sollte den 13. Dezember als Lucia feiern können.