Im Rahmen der Masterthesis von Juliane Wolff, wurde der Schrank von Erich Dieckmann (1896-1944) umfangreich untersucht. Bei dem Möbel handelt es sich um einen Schrank aus der Bauhauszeit. Dieser stammt aus dem Privathaushalt des Entwerfers Erich Dieckmann und gelangte 1970 in den Besitz des Berliner Kunstgewerbemuseums (Inv.Nr.: W-1970,55; Abb.: Zustand vor der Restaurierung).
Das farbig beschichtete zweitürige Möbel diente zur Aufbewahrung von Kleidern und Haushaltsgegenständen. Es steht auf einem Unterteil mit drei später überlackierten Schubladen und einem zurückspringenden schwarzen Sockel. Der Innenraum ist elfenbeinfarben lackiert.
Das Möbel erscheint aus einzelnen geometrischen Elementen zusammengesetzt und verdeutlicht wie sehr Erich Dieckmann durch das Bauhaus geprägt worden ist. Da weder Entwürfe noch direkte Vergleichsobjekte gefunden wurden, fällt die genaue Datierung bis heute schwer (ca. 1923-33). Das Hauptziel der Untersuchungen war die genauere Einordnung des Berliner Schrankes in das Werk Erich Dieckmanns und dessen Bedeutung als Einzelstück.
Erich Dieckmann (1896-1944), dessen Bekanntheit heute größtenteils auf seinem Typenmöbelprogramm beruht, hatte seine Wirkungsstätte hauptsächlich in Weimar. Nach den Entwürfen seiner frühen Serienmöbel wurden ganze Wohnungseinrichtungen produziert. Er absolvierte etwa zur Zeit Marcel Breuers am Bauhaus seine Tischlerlehre und experimentierte ebenfalls mit Stahlrohrmöbeln. Nach dem Wechsel des Bauhauses nach Dessau, übernahm Dieckmann die Leitung der Tischlerei an dessen Nachfolgeinstitution, der Staatlichen Bauhochschule in Weimar. In den elf Jahren seiner Schaffensperiode (ca. 1923-33) erarbeitete er zahlreiche Entwürfe, wozu auch Luxusmöbel aus wertvollen Hölzern zählen. In seinem Buch zum Möbelbau setzte er sich theoretisch mit einfachen geometrischen Formen auseinander.
Laut Dieckmann bestehen die Dinge in der Natur aus Körperformen, Flächenformen oder Gliederformen, bzw. Mischungen daraus. Dieckmann zerlegt nun auch das Holz in diese Formen, setzt sie zusammen und baut daraus seine Möbel auf. Der Schrank ist eines der besten Beispiele für seine Theorien, doch auch in seinen Typenmöbeln finden sich diese Formen wieder. So werden z.B. die Stollen als Glieder durch den Hell-Dunkel-Kontrast hervorgehoben.
Die Typenmöbel wurden an der Bauhochschule in Weimar, sowie von Tischlereien der Umgebung gefertigt. Die Produktion erfolgte hauptsächlich mit Hilfe von Maschinen. Im Gegensatz dazu steckt im Berliner Schrank deutlich mehr Handarbeit (Abb.: Querschliffe der Schubladenfronten: 200-fache Vergrößerung, DF und UV; Querschliffe der Regalvorderseiten: 200-fache Vergrößerung, DF und UV)
Die Querschliffproben der Schubladen zeigen, dass unter dem rotbraunen Alkydharzlack die ursprüngliche Beschichtung noch erhalten ist. Am Bauhaus und wahrscheinlich auch an der Bauhochschule wurden noch ausschließlich Naturlacke verwendet, obwohl Kunstharze bereits Einzug in die Möbelindustrie hielten. Es haben sich jedoch weder Rezepte noch Beschreibungen der verwendeten Materialien und Techniken erhalten. Die Lackindustrie bot in dieser Zeit verschiedenste pigmentierte Öl- oder Ölharzlacke zu unterschiedlichen Qualitäten an.
Die zeitgenössische Literatur enthält neben ausführlichen Arbeitsanleitungen jedoch auch Rezepte für die Eigenherstellung von Lacken. Der Grundaufbau farbiger Beschichtungen an Möbeln bestand aus einer Grundierung, der darüber liegenden Deckfarbe und einem abschließenden Decklack. Diese enthielten Harze und wurden dadurch widerstandsfähiger. Beliebt war damals die seidig glänzendende Oberfläche der sogenannten Emaille- oder Schleiflacke. Eine solche Oberfläche findet sich z.B. auf den Möbeln des Typenschlafzimmers, die ebenfalls vergleichend untersucht wurden. Der Berliner Schrank zeigt dagegen deutliche Pinselspuren in der Beschichtung.
Sowohl Typenmöbel, als auch der Berliner Schrank haben einen dreischichtigen Aufbau aus Grundierung, Deckfarbe und Decklack. Die untersuchten Grundierungen enthalten hauptsächlich Lithopone (ZnS & BaSO4) als Weißpigment und die hellenDecklacke Zinkweiß (ZnO). Die Anstriche bestehen aus trocknenden Ölen, wie Lein- oder Holzöl, sowie nicht näher identifizierten Harzanteilen. Häufig verwendet wurden Kopale und Kolophonium. An weiteren beschichteten Möbeln Dieckmanns fand auch sogenannte ölfreie Grundierung Verwendung.
In der Diskussion standen vor allem die Abnahme der modernen Überlackierung, sowie die Fehlstellenschließung. Verschiedene Konzeptvorschläge wurden erörtert und diskutiert. Die vorgeschlagenen Maßnahmen reichten von einem reinen konservatorischen Eingriff hin zur Komplettrestaurierung. Dabei stand vor allem die Abnahme des rotbraunen Überzuges und die Wiederherstellung des Hell-Dunkel-Kontrastes im Vordergrund. Besprochen wurde ebenso die Schließung der Fehlstellen im Holz und im Lack, um eine bessere Lesbarkeit des Möbels zu erreichen.
Zunächst erfolgte die Reinigung aller Oberflächen innen und außen. Die Verschmutzungen auf den hellen Lackbeschichtungen konnten am besten mit Ethanol entfernt werden. Die dunkelbraunen Stollen wurden lediglich mit Wasser gereinigt, da Ethanol hier zum Anlösen der Beschichtung führt. Gebrochene Holzteile wurden neu verleimt, die Fehlstellen im Holz ergänzt und neue Dübel eingesetzt (Abb.: Ergänzung der Holzausbrüche, Dübel)
Die korrodierten Metallriegel und das Schloss wurden ausgebaut und zur Reinigung sandgestrahlt. Die Beschichtung wurde an stark beanspruchten Bereichen mit verdünntem Hasenhautleim gefestigt.Die Abnahme der rotbraunen Überlackierung auf den Schubladenfronten nahm einige Zeit in Anspruch. Nach vorangegangenen Tests auf die Löslichkeit der Lackschichten aus Alkydharz, erwies sich hier ebenfalls Ethanol als das geeignetste Mittel.
Auf dem linkem und dem mittlerem Schubkasten befanden sich zwei Schichten von Alkydharzlack (Abb.: Abnahme des Alkydharzlackes mit Lösemittelkompressen). An diesen Kästen erscheint die freigelegte Originalbeschichtung rötlich. Die Erklärung liefert hier die natürliche Eigenschaft von in Leinöl gebundenem Lack, vor allem im Zusammenhang mit Zinkpigmenten, unter Lichtabschluss zu verbräunen. Dieser Umstand konnte bereits an den Seiten des Schrankoberteils beobachtet werden. Dort sorgten die lichtgeschützten Bereiche unter den Regalflächen für ein Verbräunen der Oberfläche. Diese zeigt dort einen ähnlich rötlichen Farbton wie die Schubladen.
Auf dem rechten Schubkasten befand sich lediglich eine Schicht mit Alkydharzlack. Diese war lichtdurchlässig und die Beschichtung erscheint hier im graugrünen Farbton. Inwieweit sich der graugrüne Farbton über die Jahrzehnte verändert hat, kann nicht gesagt werden. Vermutlich strebte Dieckmann einen grünen Farbton an. Dies belegen die in den Querschliffen sichtbaren gelben und blauen Farbpigmente (Abb.: Gesamtansicht nach der Restaurierung).
Fehlstellenretusche der hellen Beschichtungen wurde mit Gouachefarben durchgeführt. Die Schäden in den Dunkelbraunen Bereichen wurden mit lasierend aufgetragener Aquarellfarbe ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Der Anspruch an die Retusche die Geschichte des Möbels nicht zu verstecken, konnte damit erfüllt werden (Abb.: Schäden an der Seite des Schrankunterteils werden durch die Retusche in den Hintergrund gedrängt).
Projektleitung: Dipl. Rest. Christian Fischer, Kunstgewerbemuseum (Holz)
Förderung: Die Restaurierung wurde gefördert durch die Julius-Lessing-Gesellschaft, Verein der Freunde des Kunstgewerbemuseums Berlin e.V.
Ausführende Restauratoren: Juliane Wolff (Masterstudentin FB Holz); Martha Marzahn (Studentin FB Holz); Tamino Beyer (Vorpraktikant FB Holz); Peter Beyer (Metall)
Chemische Untersuchungen: Sabine Schwerdtfeger, Ina Reiche (Rathgen-Forschungslabor); Christine Fuchs (FH Potsdam)