Die Restaurierung des großformatigen Leinwandbildes von Vittore Carpaccio (1465–1525/26) war jahrelang ein Desiderat. 1992/93 konnte mit der „Weihe des hl. Stephanus“ von 1511 das zweite, fast 2,5 m breite Gemälde des venezianischen Renaissance-Meisters restauriert werden. Die Firnisabnahme verhalf dem Kolorit wieder zu großer Leuchtkraft. Seither stand das rätselhafte Werk mit der „Grabbereitung Christi“ in dessen Schatten. Eine detaillierte Voruntersuchung und weitere Analysen begleiten die von der Chefrestauratorin der Gemäldegalerie durchgeführten Maßnahmen.
Auch nach über 500 Jahren haben sich Bildträger und Malschicht verhältnismäßig gut erhalten, größere Malschichtverluste sind nur entlang der Ränder zu verzeichnen. Schmutz und vergilbte Firnisüberzüge trüben jedoch das Gesamterscheinungsbild. Das Gemälde ist offensichtlich vor seinem Erwerb 1905 doubliert, also mit einer Stützleinwand hinterklebt worden. Die besondere Herausforderung der aktuellen Restaurierung liegt im dünnen Farbauftrag und in der Alterung und Veränderung einiger Farbpartien: So ist Zinnoberrot teilweise vergraut, wie im Gewand des Joseph von Arimathia, der mit einer großen Schale zur Waschung des Leichnams neben dem Grab dargestellt ist. Ein ehemals golden wirkendes Auripigment, das beispielsweise in dem roten Tuch des meditierenden Hiob und dem Ärmel der Magdalena verwendet wurde, ist verbräunt und in seiner Mikrostruktur zersetzt. Bei der Firnisabnahme muss diesem Befund Rechnung getragen werden, sodass die Abnahme mit geringen Lösemitteln meist unter dem Mikroskop stattfindet. Nach der Retusche vieler kleiner Fehlstellen wird das Gemälde einen neuen Schutzüberzug erhalten und voraussichtlich im Sommer 2024 wieder in der Gemäldegalerie gezeigt werden können.
Babette Hartwieg, Cristina Aibéo: „Veränderungen von Auripigment auf Vittore Carpaccios großen Leinwandbildern der Berliner Gemäldegalerie. Technologische Befunde und restauratorischer Umgang“, in: Angela Weyer, Ursula Schädler-Saub (Hrsg.): „Aus Rot wird Schwarz – und dann? Pigmentveränderungen an Kunst- und Kulturgut“, Interdisziplinäre Tagung des Hornemann Instituts der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim anlässlich seines 25jährigen Jubiläums in Kooperation mit der AG Konservierung/Restaurierung von ICOMOS und dem Verband der Restauratoren (= Schriften des Hornemann Instituts 24), erscheint 06/2024, S. 116–134.
Ziele und Ergebnisse: Untersuchung und Restaurierung des Gemäldes „Die Grabbereitung Christi“ von Vittore Carpaccio
Projektträger: Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Projektverantwortliche: Dr. Babette Hartwieg (Chefrestauratorin der Gemäldegalerie, ausführende Restauratorin)
Projektbeteiligte: Cristina Aibeo (Naturwissenschaftlerin, Rathgen-Forschungslabor); Bertram Lorenz (Rahmenrestaurator, Gemäldegalerie); Dr. Neville Rowley (Kurator, Gemäldegalerie und Skulpturensammlung); Christoph Schmidt (Technischer Fotograf, Gemäldegalerie)
Förderung: Culturespaces, Paris
Laufzeit: 2021 bis 2024