Der Provenienzforschung an menschlichen Überresten in ethnologischen Sammlungen kommt eine besondere Bedeutung zu. So handelt es sich dabei um die Überreste menschlicher Individuen, die auch aufgrund einer rassistischen Wissenschafts- und Sammlungspraxis in die Sammlungen ethnologischer Museen gelangten.
In den Sammlungen des Ethnologischen Museums befinden sich zirka 2.000 menschliche Überreste. Sammlungen menschlicher Überreste wurden zu verschiedenen Zeiten und aus unterschiedlichen Motiven angelegt. Sie sind eng verknüpft mit der Entstehung der Anthropologie als wissenschaftlicher Disziplin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ihnen gemein ist, dass sie nicht als menschliche Überreste, sondern vielmehr als naturwissenschaftliche Objekte behandelt wurden.
Ein erstes Ziel der Provenienzforschung an den menschlichen Überresten im Ethnologischen Museum Berlin ist eine Bestandsaufnahme. Anschließend wird eine erste Kategorisierung der Überreste vorgenommen, um daraus einen Arbeitsplan zu entwickeln. Dazu werden die Überreste in unbearbeitet, bearbeitet und in Objekten verarbeitet eingeteilt, auch um die Priorität der Erforschung der Erwerbungs- und Aneignungskontexte festzulegen.
Besondere Priorität wird die Erforschung der Aneignungskontexte der Schädel der anthropologischen Sammlungen haben, die sich heute noch im Ethnologischen Museum befinden. Dringend aufgearbeitet werden Überreste ohne oder mit nur geringen Herkunftsinformationen. Hierzu zählen insbesondere nummernlose Schädel und Knochen.
Für die Provenienzforschung an den menschlichen Überresten wird für den Beginn eine möglichst große Bandbreite (regional, zeitlich, bekannt/unbekannte Provenienz) ausgewählt, um einen breiten Querschnitt der Sammlungen abbilden zu können. Diese Stichproben ermöglichen für die weitere Arbeit wichtige Erkenntnisse, wie methodisch die Provenienzforschung weiter aufgestellt werden kann.
Neben der Provenienzforschung wird ein interner Dialog in den Museen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Gang gesetzt werden, mit dem Ziel, eine gemeinsame Haltung zum Umgang mit menschlichen Überresten in den Sammlungen des Ethnologischen Museums zu entwickeln. Über die Zukunft der menschlichen Überreste soll ein ergebnisoffener Dialog mit unterschiedlichen Interessengruppen initiiert werden. Hierbei geht es insbesondere um die Einbeziehung von Akteur*innen aus Herkunftsgesellschaften, um den weiteren Umgang mit den menschlichen Überresten zu diskutieren.
Einrichtungen: Zentralarchiv, Ethnologisches Museum, Staatliche Museen zu Berlin
Projektleitung und Wissenschaftlicher Mitarbeiter: Ilja Labischinski
Laufzeit: seit 2019