Die zweite Route befasst sich mit Werken, die von männlichen Künstlern geschaffen wurden, die homosexuell waren oder zumindest dieser Gruppe nahestanden.
Das Verbot homosexueller Praktiken hatte auf das Leben der in dieser Route vertretenen Künstler tiefgreifenden Einfluss. Es beschränkte oft sowohl ihre sozialen Beziehungen als auch die Ausübung ihres Berufs. Unabhängig davon, ob sie selbst homosexuell waren, war jedoch ihre Aufgeschlossenheit gegenüber dieser sexuellen Orientierung von Bedeutung für ihr künstlerisches Werk und sogar für die Beziehung zu ihren Auftraggebern. Dessen ungeachtet wird dieses wesentliche Element ihrer Biografien in den meisten kunsthistorischen Veröffentlichungen nach wie vor weitgehend ignoriert.
Donatello, gemäß verschiedenen Quellen wahrscheinlich selbst homosexuell, gilt als einer der Väter der Renaissance. In seinen skulpturalen Arbeiten paarte er klassische Sinnlichkeit mit christlicher Moral und Humanismus. Seine Skulpturen der biblischen Figur des Davids illustrieren zum ersten Mal die neoplatonische Vorstellung von Liebe. In der Version im Bode-Museum ist David nur mit einem Umhang und einer sehr kurzen Tunika bekleidet, die sein rechtes Bein bis zur Hüfte enthüllt. Der Fokus auf Davids attraktiven männlichen Körper wird noch durch die leicht gedrehte Hüfte und das angehobene linke Bein unterstrichen. Donatello war der erste Künstler, der ihn als attraktiven und zu einem gewissen Grad androgynen Jüngling präsentierte.
Über seine Arbeit war auch Vincenzo Pacetti (1746–1820) mit dem Thema der Homosexualität verbunden. Dieser Künstler ist für die Staatlichen Museen zu Berlin von ganz besonderer Bedeutung, weil sich eine maßgeblich von ihm zusammengetragene Zeichnungssammlung mit rund 10.000 Blättern heute im Kupferstichkabinett befindet. In unserem Zusammenhang interessiert uns allerdings seine Tätigkeit als Restaurator antiker Bildwerke.
1620 wurde in Rom eine antike griechische Marmorskulptur gefunden, deren Ursprung vermutlich im 3. Jh. v. Chr. liegt. Trotz zahlreicher Schäden – so fehlten ihr etwa beide Beine und ein Arm – galt sie schon bald als eine der Glanzleistungen antiker Bildhauerkunst: Der Barberinische Faun.
1799 kam der Barberinische Faun vorübergehend in den Besitz von Pacetti. Dieser nutzte die Gelegenheit, um die bereits zuvor mehrfach ergänzte Skulptur erneut zu überarbeiten – eventuell, um sie hinterher gewinnbringend zu verkaufen. Indem er das rechte Bein deutlich anhob, verstärkte er nochmals deren ohnehin schon deutlich erotische Pose. In diesem Zusammenhang entstand auch ein Terrakotta-Modell des Fauns, das sich heute im Bode-Museum befindet.