Die Büste der Nofretete ist auch als Replik überaus beliebt. Hochwertige Nachbildungen werden seit fast 100 Jahren in der traditionsreichen Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin hergestellt und an Liebhaber und Sammler, Künstler und Museen auf der ganzen Welt verkauft. Die Fertigung dieser werkgetreuen Reproduktionen beruht inzwischen auf einer Kombination von digitaler Technologie und sorgfältigster Handarbeit.
Die ersten Nachbildungen der Büste entstanden bereits im Jahr 1913, kurz nach ihrem Fund. Aufgrund der fragilen Oberflächenbeschaffenheit der Skulptur wurde sie jedoch nicht, wie bei Kunstwerken aus robusteren Materialien üblich, direkt vom Original abgeformt, sondern von der Bildhauerin Tina Haim-Wentscher manuell vermessen und in zwei Exemplaren in Kunststein ausgeführt. Eines der beiden um fehlende Teile ergänzten und farbig gefassten Exemplare schenkte James Simon, der damalige Eigentümer der Büste, Kaiser Wilhelm II.
Eine der 1913 von Tina Haim-Wentscher gefertigten Nachbildungen der Nofretete-Büste befindet sich heute in Huis Doorn, ab 1920 das Exil des ehemaligen deutschen Kaisers Wilhelm II (hier ein Blick in die Bibliothek). Die zweite Replik verblieb im Besitz der Familie Simon. © Museum Huis Doorn
Anfang der 1920er Jahre schuf Tina Haim-Wentscher im Auftrag der Gipsformerei eine weitere Abformung als Mastermodell, das als Basis aller von der Kunstmanufaktur verkauften Büsten diente. Die Künstlerin folgte akribisch Maß und Form des Originals und gab nun auch Fehlstellen exakt wieder – sie ergänzte aber auch hier das fehlende Auge. Allein für den Zeitraum Juli 1921 bis Ende 1922 – also bereits vor der ersten öffentlichen Präsentation der Büste 1924 – sind 75 Abgüsse auf Basis dieses Mastermodells durch die Gipsformerei dokumentiert (PDF, 17,3 MB).
Mit der öffentlichen Ausstellung Nofretetes im Neuen Museum steigerte sich die Nachfrage nach Repliken, und die Büste konnte nun – in zunehmend unterschiedlichen Varianten – auch aus dem Katalog bestellt werden. Für Jahrzehnte blieb das von Tina Haim-Wentscher gefertigte Modell die maßgebliche Vorlage. 2014 wurde sie als „Historische Replik“ von der Gipsformerei anhand der alten Modellvorlage neu aufgelegt.
Ausgewählte Malmodelle der Nofretete in Laufe der Zeit. Vorne links die erste Fassung von Tina Haim-Wentscher von 1922, hinten rechts die Fassung von 2015 © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei / Achim Kleuker
In Ergänzung zu dieser ersten, auch heute noch beeindruckenden Nachschöpfung kam es immer wieder zu Veränderungen an den für den Verkauf bestimmten Nofretete-Repliken. Dabei spiegeln die mehrfach optimierten Versionen den jeweiligen technischen Stand der Reproduktionsmöglichkeiten – immer unter der Maßgabe, dass die empfindliche farbliche Fassung des Kunstwerks jede direkte Abformung verbietet. So wurde das Mastermodell von 1971 nach einer photogrammetrischen Erfassung angefertigt.
Mit der sich kontinuierlich weiter entwickelnden Technik der berührungslosen 3D-Streifenlichtscanner bot sich im Jahr 2008 die Möglichkeit, die Büste durch die Firma TrigonArt erneut dreidimensional zu vermessen und zu dokumentieren.
Auf Basis der Scan-Daten wurde zunächst ein hochaufgelöstes und fototexturiertes digitales 3D-Modell der Büste erstellt. Anschließend wurden die Daten für den Fertigungsprozess aufbereitet und mit Hilfe eines 3D-Druckers ausgedruckt. Der so hergestellte maßstabsgetreue Prototyp aus Kunststoff wiederum diente der Gipsformerei als Grundlage, um eine Abgussform und schließlich die zur Zeit bestmögliche Reproduktion der Nofretete zu fertigen. Diese Version wird seit 2009 verkauft; 2015 wurde zudem die farbliche Fassung noch einmal überarbeitet.
Bemalung einer Museumsreplik der Nofretete © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei / Jürgen Hohmuth
Die detailgetreue Bemalung durch Skulpturenmaler*innen der Gipsformerei erfolgt heute auf Basis einer Farbabgleichanalyse des Rathgen-Forschungslabors und mit Farbpigmenten, die schon im Alten Ägypten gebräuchlich waren. Die Bemalung wird mit jeweils eigener Handschrift durchgeführt, so dass jede Reproduktion ein Unikat darstellt.
In der Gipsformerei werden Scan- und 3D-Druck-Technologie seit vielen Jahren genutzt, insbesondere wenn Objekte nicht direkt abgeformt werden können. Da die berührungsfreie Erfassung zur Zeit aber immer noch qualitative Nachteile gegenüber einer Abformung mit Silikon hat, müssen etwaige Fehlerquellen durch eine Vielzahl von Arbeitsschritten und Nachbearbeitungen korrigiert werden.
Film „Die Gipsformerei der Statlichen Museen zu Berlin“, 2014 © Staatliche Museen zu Berlin
Neben dem Prozess der digitalen Erfassung und der Verarbeitung der Daten gilt dies auch für den Druck. Um eine für die Arbeit der Gipsformerei ausreichende Abformung zu erhalten, wird von dem ersten 3D-Druck eine konventionelle Abformung mit Silikon angefertigt, die dann feinretuschiert wird. Von diesem Modell wird dann eine weitere Form hergestellt – erst mit dieser ist ein Objekt reproduzierbar.
Es ist das Ziel der Gipsformerei, dieses Zusammenspiel noch weiter zu perfektionieren. In Zukunft wird es auch darum gehen, die Expertise des analogen Handwerks direkt in den digitalen Prozess mit einzubeziehen, und so eine noch höhere Qualitätsstufe der Reproduktion zu erreichen.
Hohe Aufmerksamkeit fanden 3D-Aufnahmen der Nofretete-Büste erstmals 2016, als die Künstler*innen Jan Nikolai Nelles und Nora Al-Badri im Zuge der Intervention „The Other Nefertiti” einen Scan der Büste online stellten. Auf ihrer Website und in Präsentationen behaupteten die Künstler*innen, der Scan sei 2015 heimlich im Nordkuppelsaal des Neuen Museums angefertigt worden. Dass die Daten tatsächlich unter den beschriebenen Bedingungen im Museum entstanden waren, wurde angesichts ihrer hohen Qualität allerdings früh bezweifelt.
Auch Al-Badri selbst stellte später den direkten Zusammenhang der heimlichen Scan-Aktion zu den bereitgestellten Daten in Frage.
Vielleicht haben wir den Server gehackt oder einen mobilen 3D-Scanner benutzt, oder es war jemand vom Museum selbst, eine Putzkraft, vielleicht ist es aber auch eine Ente [...] All das wäre möglich, wer weiß. Wir werden jedenfalls nichts weiter verraten. [...] Und wir möchten nochmal betonen, dass wir die Statue tatsächlich gescannt haben – gleichzeitig sagen wir nicht, dass die anderen Möglichkeiten nicht auch zutreffen könnten.
Die 2016 als „Nefertiti Hack“ bereitgestellten Daten sind die Basis eines Großteils der heute im Netz – z. B. bei Sketchfab – zu findenden 3D-Modelle und digitalen Remixe der Büste.
Im November 2019 wurde zudem der 2008 für die Gipsformerei angefertigte Scan durch den Künstler und Aktivisten Cosmo Wenman veröffentlicht. Die Daten hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihm zuvor zur Verfügung gestellt – seiner Darstellung zufolge aufgrund des von ihm durch die Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz aufgebauten Drucks.
Da dieser Scan als ein technischer Zwischenschritt bei der Erstellung einer Gipsreplik angefertigt wurde, war er ursprünglich nicht als offizielle digitale 3D-Reproduktion und für die Publikation gedacht und wurde von den Museen selbst deshalb auch nicht online gestellt. Erst mit diesem Hinweis stellen wir ihn als unter der CC-NC-BY-SA-Lizenz zum Download frei (ZIP mit OBJ-Datei und ergänzenden Informationen, 832 MB).
Das Video zeigt eine Animation des 2008 von TrigonArt aufgenommenen 3D-Modells der Büste der Nofretete. Zunächst liegt der Fokus des Videos auf der geometrischen Oberfläche der Büste, die durch eine künstliche Farbgebung in hellem Grau besonders gut zum Vorschein kommt. Im zweiten Teil wird zum Modell mit der Originaltextur der Büste geblendet. © Staatliche Museen zu Berlin, ZEDIKUM / Fanet Göttlich