Mit der Wiedereröffnung des Neuen Museums 2009 kehrte die bunte Büste der Nofretete wieder in das Haus zurück, in dem sie 85 Jahre zuvor das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert worden war. Heute steht sie im Nordkuppelsaal im zweiten Obergeschoss – ihre museale Karriere begann jedoch im Griechischen Hof.
Nach Berlin gelangte die Büste bereits im Jahr 1913. Zusammen mit den anderen der deutschen Seite zugesprochenen Amarna-Funden der Grabungen von 1911-13 war sie in das Eigentum von James Simon übergegangen. Dieser hatte die Grabungen finanziert. Simon stellte sie zunächst in seiner Villa in der Tiergartenstraße auf, wo sie Kaiser Wilhem II. erstmals präsentiert wurde. Danach übergab er sie zusammen mit den anderen Objekten als Dauerleihgabe dem Ägyptischen Museum.
Die Amarna-Funde wurden im November 1913 erstmals im Neuen Museum gezeigt – allerdings noch ohne die bunte Büste. Die aufgrund der Leihgaben aus Ägypten zeitlich befristete Ausstellung löste beim Publikum eine große Begeisterung für diese „neuartige“ ägyptische Kunst aus, die sich von den bekannten altägyptischen Kunstwerken im Neuen Museum deutlich absetzte. Daher sollte ein eigener Raum für die dauerhafte Präsentation der Amarna-Kunstwerke eingerichtet werden. James Simon, einer der größten Mäzene in der Geschichte der Museen, hatte die Objekte, und damit auch die Büste der Nofretete, am 11. Juli 1920 dem Ägyptischen Museum geschenkt.
Für eine angemessene Präsentation der Amarna-Funde wurden größere Umbaumaßnahmen im Neuen Museum notwendig. Da die vorhandenen Räume der Ägyptischen Abteilung vollständig belegt waren, wurde der ehemals offene Griechische Hof mit einem Dach versehen, damit die fragilen Objekte dort arrangiert werden konnten.
Blick in den Amarna-Hof im Neuen Museum nach dem Umbau des Griechischen Hofes, rechts unter einem Glassturz die Büste der Nofretete, um 1924 © Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv
1924 waren die Arbeiten abgeschlossen und die Kunstwerke im neu als „Amarna-Hof“ bezeichneten Teil des Neuen Museums aufgestellt – nun inklusive der Büste, die zwar zentral platziert war, aber umgeben von weiteren Objekten aus der Werkstatt des Thutmosis. Bis zu ihrer kriegsbedingten Auslagerung 1939 blieb die Büste an diesem Ort.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Büste von den amerikanischen Besatzungstruppen mit zahlreichen weiteren Kunstwerken aus Deutschland in den Central Collecting Point nach Wiesbaden gebracht. 1956 wurde sie offiziell nach Westberlin zurückgegeben. Hier wurde sie zunächst im Museumszentrum Dahlem präsentiert. 1967 zog sie in die neue Dauerausstellung des Ägyptischen Museums im östlichen Stülerbau gegenüber dem Charlottenburger Schloss.
Die Büste der Nofretete in der Dauerausstellung des Ägyptischen Museums im östlichen Stülerbau © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
Mehr als zwei Jahrzehnte lang wurde sie im ersten Stock der Rotunde innerhalb des Ausstellungsrundgangs ausgestellt. Nachdem sich in Folge der Wiedervereinigung Deutschlands die Besuchszahlen im Ägyptischen Museum und das Interesse an der Büste deutlich gesteigert hatten, erhielt sie Anfang der 1990er Jahre nicht nur eine größere Vitrine, sondern auch einen eigenen Raum im Erdgeschoss, in dem sie im abgedunkelten Ambiente allein residierte. Hier konnten die Lichtakzente optimal gesetzt werden, sodass das vorher allein hübsch und faltenfrei wirkende Gesicht nun als ein nicht nur wunderschönes, sondern vor allem charakterstarkes und lebendiges Antlitz erscheint.
Als ersten Schritt bei der Rückkehr des Ägyptischen Museums auf die Museumsinsel zog die Sammlung 2005 von Charlottenburg in das Obergeschoss des Alten Museums. Dort kam die Büste der Nofretete nicht nur in einen großen, hellen Raum und erhielt eine fast monumentale Vitrine, sondern auch eine neue Inszenierung, die sie nicht mehr nur als Solitär der ägyptischen Sammlung erscheinen ließ.
Die Büste der Nofretete im Obergeschoss des Alten Museums © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Jürgen Liepe
Besucher*innen konnten bereits auf dem Treppenabsatz des Obergeschosses, noch bevor sie die eigentliche Ausstellung betraten, einen Blick durch die Rotunde auf Nofretete werfen – allerdings nur von ferne. Erst nach Durchschreiten der Räume, die der ägyptischen Skulptur und den weiteren Amarna-Funden gewidmet waren, erreichte man in der Mitte des Ausstellungsrundgangs den zentralen Raum und konnte dadurch die Büste in ihrer kunstgeschichtlichen und historischen Bedeutung besser einordnen.
Das Prinzip, die Büste nicht an den Anfang der Besichtigung zu setzen, sondern als Höhepunkt eines inhaltlich durchdachten Rundgangs zu inszenieren, wurde auch bei ihrer endgültigen Aufstellung im Nordkuppelsaal des Neuen Museums ausgeführt. Heute beginnen die Besucher*innen ihren Rundgang im Skulpturensaal, treten in die Amarna-Räume ein und lernen Mitglieder der königlichen Familie anhand von Statuenköpfen kennen, bevor sie den Nordkuppelsaal betreten, empfangen vom beeindruckenden Profil der Büste, die hier erneut einen eigenen Raum erhalten hat.
Die Büste der Nofretete im Nordkuppelsaal des Neuen Museums © Staatliche Museen zu Berlin / Achim Kleuker
Nofretetes Blick geht durch die gesamte Längsachse des Hauses und trifft auf der anderen Seite im Südkuppelsaal auf die monumentale Figur des Sonnengottes Helios. Helios ist zwar ein griechischer Gott, aber die Statue wurde in Mittelägypten gefunden. Allerdings liegen rund 1500 Jahre zwischen den Entstehungszeiten beider Objekte.
Nicht nur der Ort Ägypten, auch ihr solarer Bezug verbindet sie: Nofretete ist die „Sonnenkönigin“, die zusammen mit ihrem Mann Echnaton der neuen Sonnenreligion huldigt. Helios ist der Sonnengott, dessen Darstellung – in römischer Zeit entstanden – das „neue“ Bild Ägyptens in antiker Zeit zeigt.
Sichtachse von der Büste der Nofretete zur Statue des Helios © Staatliche Museen zu Berlin / Achim Kleuker
Ursprünglich war der Nordkuppelsaal für die Präsentation griechischer Skulpturen vorgesehen, worauf die gemalten Wandbilder mit Helden der klassischen Antike verweisen. Dennoch scheint dieser Raum wie für diese Büste geschaffen. Die dominante blaugrüne Farbfassung des Raumes harmoniert in beeindruckender Weise mit der blauen Krone der Königin. Auch der farbige Boden lenkt nicht den Blick ab, sondern verstärkt die Lebendigkeit der Büste. Der historische Architekt des Hauses, August Stüler, hätte selbst keinen besseren Ort für ihre Präsentation einrichten können.
Um die besondere Wirkung der Büste und des Raumes für jede Besucher*in erlebbar zu machen, gelten im Nordkuppelsaal besondere Regeln. Bei Gruppenführungen sind Guides und Gäste gebeten, ihre Gespräche außerhalb des Nordkuppelsaals zu führen. Außerdem gilt ein grundsätzliches Fotografierverbot.
Zur Eröffnung des Neuen Museums 2009 war das Fotografieren – wie in allen Sammlungspräsentationen der Staatlichen Museen zu Berlin – zunächst gestattet. Doch schnell wurde deutlich, dass die Menge der Menschen, die vor der Büste zu Kamera oder Handy greifen – und dabei sehr häufig vergessen, den Blitz abzustellen – zu groß ist, um allen Gästen die ungestörte Betrachtung dieses einzigartigen Kunstwerks zu ermöglichen.
Von den beiden angrenzenden Räumen aus ist es jederzeit gestattet, die Königin im Nordkuppelsaal zu fotografieren. Mit dieser Einschränkung, die das Fotografieren des Büste ja nicht ganz verwehrt, ermöglicht das Museum seinen Gästen ein einzigartiges Besuchserlebnis.
Die Büste der Nofretete im Nordkuppelsaal des Neuen Museums © Staatliche Museen zu Berlin / Achim Kleuker