Nofretete war die Hauptgemahlin des Pharao Amenophis IV. (später Echnaton) und lebte im 14. Jahrhundert v. Chr. Schriftzeugnisse, die konkrete historische Fakten über ihre Herkunft, Ehe, ihr Familienleben, ihre politische Stellung und ihren Tod liefern, sind selten. Die überlieferten Bildnisse und Texte sind wichtige Informationsquellen, können aber unterschiedlich interpretiert werden. Daher gibt es über Nofretetes Leben zwar viele verschiedene Vermutungen und Thesen, gesicherte Erkenntnisse gibt es aber kaum.
Einigkeit herrscht mittlerweile darüber, dass Nofretete (übersetzt: „Die Schöne ist gekommen“) aus einer großbürgerlichen ägyptischen Familie stammte. Ihre Eltern werden in den uns bekannten Quellen nicht namentlich erwähnt, nur ihre Amme Tjj und eine jüngere Schwester, Mutbeneret. Tij war die Ehefrau von Eje, einem hohen Beamten unter Echnaton. Ob Tij und Eje möglicherweise die leiblichen Eltern von Nofretete waren, muss Spekulation bleiben.
Tijs und Ejes Familien stammten aus derselben Stadt wie die Eltern von Teje, der Gemahlin des Pharao Amenophis III., aus der mittelägyptischen Stadt Achmim. Beide Familien waren sicherlich miteinander bekannt, so dass Tejes Wahl von Nofretete als Ehefrau für ihren zweitgeborenen Sohn Amenophis (später Echnaton) nicht verwundert.
Kopf einer Statuette der Königin Teje, Ägypten, Medinet el-Ghurob, Neues Reich, 18. Dynastie, 1388 - 1351 v. Chr.; Ident.-Nr. ÄM 17852, Schenkung von James Simon © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Sandra Steiß
Ob die Eheschließung vor der Thronbesteigung Amenophis IV. im Jahr 1351 v.Chr. erfolgte und wie alt Nofretete zu diesem Zeitpunkt war, ist nicht belegt. Da Eheschließungen in der Regel in sehr jungen Jahren vorgenommen wurden, und Amenophis IV. zur Zeit seiner Krönung sicher nicht älter als 16 bis18 Jahre gewesen ist, war Nofretete vermutlich zwischen 12 und 16 Jahre alt.
Kurz nach der Heirat wurde die erste Tochter, Merit-Aton, geboren. Auch die zweite Tochter, Maket-Aton, die im Alter von ca. 10 Jahren verstarb, kam noch in Theben, der königlichen Residenz in der 18. Dynastie, zur Welt, vielleicht auch noch Anch-es-en-pa-Aton, die dritte Tochter des Königspaares und spätere Gemahlin von Tutanchamun.
Bereits in seinem vierten Regierungsjahr beschloss Amenophis IV. den Bau einer neuen Residenz in Mittelägypten, Achet-Aton, in der Nähe der heutigen Stadt Amarna. Dort wollte er zusammen mit Nofretete seine neue Glaubensrichtung realisieren, die Anbetung von Aton, der Sonnenscheibe als einzigem Gott. Im siebten Regierungsjahr siedelte die Königsfamilie nach Achet-Aton um. Dort wurden drei weitere Töchter geboren, Nefer-neferu-Aton-ta-scherit, Nefer-neferu-Re und Setep-en-Re. Im Zuge der Umsiedelung änderte Amenophis IV. seinen Geburtsnamen in Ach-n-Iten (Echnaton = „Aton wohlgefällig“).
Gipsmodellkopf des Königs Echnaton, Ägypten, Tell el-Amarna, Neues Reich, 18. Dynastie, 1351–1334 v. Chr., Ident.-Nr. ÄM 21351, Schenkung von James Simon © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Sandra Steiß
Der berühmte Hausaltar in der Sammlung des Ägyptischen Museums [Abb.] zeigt das Königspaar mit den drei ältesten Töchtern und ist daher vermutlich kurz nach der Umsiedlung von Theben nach Achet-Aton entstanden. Er zeigt auf anschauliche Weise das harmonische königliche Familienleben, beschützt von den Strahlen Atons. Gleichzeitig ist er auch ein beredtes Zeugnis von der Stellung Nofretetes. Sie wird im gleichen Maßstab wie ihr Mann dargestellt, ihr Name ist dem von Echnaton und dem Gott Aton ebenbürtig in der Königskartusche geschrieben, und die Strahlenhände halten die Anch-Zeichen gleichrangig an die Nasen des Herrscherpaares.
Film „Hingeschaut! Hausaltar: Echnaton, Nofretete und drei ihrer Töchter unter dem Strahlenaton" © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Margarete Büsing
Ein Detail des Hausaltares, das die Vermutung unterstützt, Nofretete hätte mindestens die gleiche wenn nicht sogar eine größere Machtstellung als Echnaton gehabt, ist die Dekoration des Stuhls, auf dem sie sitzt. Sie zeigt die so genannte „Vereinigung der beiden Länder“, dargestellt im Verknoten der beiden Wappenpflanzen Lotus und Papyrus für Ober- und Unterägypten. Dieses Symbol ist normalerweise allein dem Regenten vorbehalten.
Allerdings gibt es keine weiteren Schriftzeugnisse, die Nofretete eine höhere Rangstellung als die ihres Mannes attestieren. Vielmehr gehört ihre exponierte Präsentation zum neuen theologischen Prinzip. Aton ist der alleinige Gott, der sich zwar allen Menschen gnädig erweist, aber nur mit dem Königspaar in direktem Kontakt steht.
Echnaton, Nofretete und Aton bilden eine göttliche Dreiheit, die dem altägyptischen theologischen Prinzip der Weltschöpfung entlehnt ist. Sie besteht aus dem Schöpfergott (=Aton) und seinen beiden Kindern Schu (=Echnaton) und Tefnut (=Nofretete), die die Wohltaten des Schöpfergottes an die Menschen weitergeben. Auf dieser Grundlage können Echnaton und Nofretete zusammen, aber auch einzeln im Zwiegespräch mit Aton agieren. Dass Nofretete die treibende politische Kraft oder sogar die eigentliche Herrscherin war, ist daraus jedoch nicht abzuleiten.
Da Nofretetes Mumie, so wie auch die ihres Mannes, bisher noch nicht identifiziert werden konnte, bleiben sowohl Datum als auch Ursache ihres Todes unbekannt. Bis vor einigen Jahren glaubte man, dass Nofretete kurz nach dem zwölften Regierungsjahr Echnatons verstorben oder vom Königshof verbannt worden sei, da sie in späteren Texten nicht mehr namentlich erscheint.
Anfang 2012 wurde jedoch in einem antiken Steinbruch 10 Kilometer nördlich von Amarna eine Felsinschrift entdeckt, die in das 16. Regierungsjahr Echnatons datiert und Nofretetes Namen und ihre Stellung als Große Königliche Gemahlin nennt. Angesichts dieser Erwähnung erscheint es wahrscheinlich, dass Nofretete ihren Ehemann, der in seinem 17. Regierungsjahr verstarb, überlebt hat.
Standfigur der Nofretete, Ägypten, Tell el-Amarna, Neues Reich, 18. Dynastie, um 1351–1334 v. Chr., Ident.-Nr. ÄM 21263, Schenkung von James Simon © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Sandra Steiß
Vielleicht hat Nofretete sogar nach dem Tod Echnatons eine Zeitlang selbst regiert. Eine Gleichsetzung von Nofretete mit dem namentlich als Nachfolger von Echnaton erwähnten Semenchkare ist möglich, allerdings inschriftlich nicht gesichert. Dagegen spricht, dass Semenchkare in einem Privatgrab in Amarna zusammen mit seiner Großen Königlichen Gemahlin Merit-Aton, ältester Tochter von Echnaton und Nofretete, abgebildet ist.
Wann Nofretete starb und welche Rolle sie nach dem Tod ihres Gemahls spielte, ist weiterhin ungewiss. Unwahrscheinlich bleibt, dass sie, wie häufig behauptet, die Mutter von Tutanchamun ist. Diese wird derzeit mit der so genannten „younger lady“ aus dem Grab KV 35 im Tal der Könige identifiziert. DNS-Analysen sprechen dafür, dass jene Frau sowohl Tutanchamuns Mutter als auch eine Tochter von Amenophis III. und seiner Hauptgemahlin Teje war, was eine Identifikation mit Nofretete ausschließen würde.