13.06.2024
Antikensammlung
Antike Vasen aus Raubgrabungen zurückgegeben: 25 archäologische Objekte mit zweifelhafter Provenienz aus der Antikensammlung im Alten Museum der Staatlichen Museen zu Berlin werden an Italien restituiert. Die Rückgabevereinbarung intensiviert die Zusammenarbeit mit Italien. Zudem wurden langfristige Leihgaben des Archäologischen Nationalmuseums Neapel (MANN) und der archäologischen Parks von Paestum und Velia vereinbart.
Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnete SPK-Präsident Hermann Parzinger in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth gemeinsam mit dem italienischen Kulturminister Gennaro Sangiuliano im Rahmen einer Zeremonie, die von Botschafter Armando Varricchio in der italienischen Botschaft ausgerichtet wurde. Bei der freiwilligen Rückgabe handelt es sich um einen Komplex von 21 apulischen Vasen – Kratere, Amphoren, eine Hydria, Skyphoi und Teller aus dem 4. Jh. v. Chr., die das West-Berliner Antikenmuseum 1984 als Konvolut aus dem Schweizer Kunsthandel erwarb – sowie um vier weitere Einzelobjekte: Attischer Skyphos, Attische Kylix, Lukanischer Glockenkrater und Tondo mit Darstellung von Venus und Amor. In allen Fällen geht die SPK heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Stücke aus Raubgrabungen stammen.
Die Rückgabe spiegelt das Positionspapier der Staatlichen Museen zu Berlin in Bezug auf Antiken, in dem sich die archäologischen Sammlungen zu einem transparenten Umgang mit ihren Beständen und zu einer kritischen Aufarbeitung ihrer Provenienzen bekennen.
Die apulischen Vasen waren seit Jahren ein Highlight unserer Ausstellung. An ihre Stelle werden langfristige Leihgaben aus verschiedenen italienischen Museen treten. Wir haben in enger Abstimmung mit den italienischen Kolleginnen und Kollegen Objekte ausgesucht, die in unseren Beständen bislang noch gar nicht vertreten oder stark unterrepräsentiert waren.
Andreas Scholl, Direktor der Antikensammlung
Mit dem italienischen Kulturministerium sowie mit den Archäologischen Nationalmuseen von Neapel und Paestum wurde vereinbart, dass zunächst zwei bemalte Platten lukanischer Gräber mit Darstellungen von Kriegern sowie bronzene Schutzwaffen – Panzer und Helm – aus dem 4. Jh. v. Chr. für mehrere Jahre nach Berlin entliehen werden. Die Objekte illustrieren die intensiven, häufig kriegerischen Kontakte zwischen Griechen und indigenen italischen Völkern im Süden der Apenninenhalbinsel zu jener Zeit. Insbesondere die Gattung der Malereien ist im Bestand der Berliner Antikensammlung überhaupt nicht vertreten und bereichert deren Bestände in hervorragender Weise.
2023 haben die archäologischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, in dem sie sich zu einem transparenten Umgang mit ihren archäologischen Beständen und zu einer kritischen Aufarbeitung ihrer Provenienzen bekennen. Die Sammlungen bewahren einen in seiner Vielfalt und Menge weltweit einzigartigen Bestand an Objekten. Deren Provenienzen werden in den nächsten Jahren vertieft in den Blick genommen.
Das Positionspapier der Staatlichen Museen zu Berlin zum Umgang mit den archäologischen Sammlungen und ihren Provenienzen (PDF, 318 KB) war Auftakt für eine gemeinsame Forschungsinitiative der Museen. Ziel ist es, den Weg sämtlicher archäologischer Sammlungsbestände von ihrer Auffindung bis zum Eingang in die Museen zu ermitteln. Dies trägt zu einem tieferen Verständnis nicht nur der Objekte, sondern auch der Erwerbungspolitik der Museen und der Institutionengeschichte bei. Bei der Bewertung der Herkunft archäologischer Objekte werden heute politische, rechtliche und wirtschaftliche Umstände sowie ethische Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Erforschung und Bewertung bezieht zudem aktuelle Außenperspektiven mit ein: Die Museen arbeiten mit Partner*innen und Institutionen aus den Herkunftsländern, mit der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft sowie der wissenschaftlichen Gemeinschaft zusammen.
Seit März 2023 läuft das vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) geförderte Projekt „Legal – Illegal?“, in dessen Rahmen die Umstände der Grabungen und Ausfuhr archäologischer Objekte im Osmanischen Reich nach Berlin während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erforscht werden. Erstmalig untersuchen die Antikensammlung, das Museum für Islamische Kunst und das Vorderasiatische Museum unter Leitung des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit dem Research Center for Anatolian Civilizations (ANAMED) der Koç Universität Istanbul dies exemplarisch anhand dreier ausgewählter Grabungsorte, Sam'al, Didyma und Samarra. Ziel des Projekts ist, mit Hilfe eines internationalen Expert*innengremiums einen Leitfaden zu entwickeln, in dem problematische Erwerbungssituationen definiert sowie Kriterien und Methoden zur Erforschung von Sammlungsbeständen aus diesem Kontext benannt werden. Der Leitfaden soll künftig nationale wie internationale Museen dabei unterstützen, die Provenienz ihrer archäologischen Sammlungen auf problematische Grabungsfunde des beginnenden 20. Jahrhunderts hin zu erforschen.