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Janet Cardiff und George Bures Miller "The Murder of Crows"

14.03.2009 bis 17.05.2009

Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart

Mit ihrer bisher größten Sound Installation "The Murder of Crows" setzen die beiden kanadischen Bildenden Künstler Janet Cardiff und George Bures Miller ihre seit Mitte der 1990er Jahre gemeinsam verfolgte Auseinandersetzung mit den skulpturalen und physischen Eigenschaften von Klang fort.

In die - ansonsten leere - Historische Halle des Hamburger Bahnhofs werden insgesamt 98 Lautsprecher platziert. Durch die über eine besondere stereophone Aufnahme- und Wiedergabetechnik erzeugten Lautsprecherklänge von Stimmen, Musik und Klangumgebungen entsteht eine Komposition, die den Hörer direkt körperlich anspricht. Die spezielle Ambisonic-Raumklangtechnik erzeugt ein gesteigertes räumliches Hören und Empfinden, und die in dem dreidimensionalen Klangraum auftretenden akustischen Ereignisse sind von bestürzender Präsenz. Die Installation ist konzipiert wie ein Film bzw. ein Theaterstück, allerdings mit allein von Klängen erzeugten Bildern und narrativen Strukturen. Das in Zusammenarbeit mit Freida Abtan, Tilman Ritter und Titus Maderlechner komponierte dreiteilige Stück dauert 30 Minuten.

Der Titel der Installation »The Murder of Crows« bezieht sich auf die englische Bezeichnung für einen Schwarm von Krähen und das ungewöhnliche Phänomen, das als "Krähenbegräbnis" bekannt ist: Beim Tod einer Krähe kommen viele Artgenossen zusammen und stimmen, mitunter über 24 Stunden lang, eine Totenklage an. Darüber hinaus bildet die Radierung »Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer« von Francisco de Goya aus dem Zyklus »Caprichos« von 1799 eine weitere Referenz. In diesem Zyklus setzte sich Goya im Geiste der Aufklärung kritisch mit Tyrannei, Unwissenheit und Aberglauben auseinander. In einer durch politische und soziale Umbrüche, durch Kriege und Aufstände gekennzeichneten Epoche warnte er: "Die Phantasie, verlassen von der Vernunft, gebiert unvorstellbare Ungeheuer". Seine Radierung zeigt einen an einem Tisch schlafenden Mann; sein Kopf ruht auf den verschränkten Armen, und er wird von einem Schwarm von Nachttieren bedrohlich umkreist. Fraglich erscheint, ob er die Dämonen, die seine träumende Phantasie hervorbringt, beherrscht oder ob er von ihnen beherrscht wird; ob ihm die Vögel des Grauens zufliegen oder ob er sie auffliegen lässt.

In der Installation von Cardiff & Miller hört man aus einem in der Mitte des Raums auf einem Tisch plazierten Megaphon die Stimme von Janet Cardiff, Träume und Gedanken rezitierend. Wie Goyas Schlafender ist sie in ihren eigenen Albträumen gefangen, in denen sie grausame, von Angst und Schrecken erfüllte Szenen durchlebt. Wie die Eulen und Fledermäuse, die den Schlafenden in Goyas Grafik umschwirren, wandern die Klänge und Geräusche durch den Ausstellungsraum. Im Übergang von einer Klangwelt zur nächsten folgt die Struktur des Stücks jenen unlogischen, aber dennoch miteinander in Beziehung stehenden Verknüpfungen, wie man sie aus der Welt des Traums kennt. Die Klangarbeit gerät zu einem Requiem für eine aus den Fugen geratene Welt, in der ein Mangel an Vernunft, aber auch ein Übermaß an Zweckrationalität unvorstellbare Grausamkeiten, Tollheiten und Katastrophen zur Folge hat.

Hinsichtlich der technischen Umsetzung greifen die beiden Künstler in ihrer Installation Verfahren auf, die sie in früheren Arbeiten wie etwa »The Forty Part Motet« (2001), "The Berlin Files" (2003) oder "Pandemonium" (2005) entwickelt haben und erweitern die bereits erprobten Kontrolltechniken mittels einer neu erstellten Software. Mit ihrer räumlichen Inszenierung des akustischen Materials gehen sie weit über die Möglichkeiten des klassischen Hörspiels hinaus und entführen den Zuhörer in eine faszinierende, unheimliche Welt voller suggestiver Klänge und Traumbilder.

Janet Cardiff, geboren 1957, und George Bures Miller, geboren 1960, leben und arbeiten in Berlin und Grindrod, British Columbia, Kanada. Gemeinsam arbeiten sie im Grenzbereich zwischen Bildender Kunst, Hörstück, Film und Theater. In ihren Installationen untersuchen sie die affektive Wirkung von Klang und dessen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und Erfahrung. Der Hörer bzw. Ausstellungsbesucher wird dabei zum Akteur in ihren audio-visuellen Inszenierungen, in ihren Sound- und Videowalks, die sie seit 1995 auf zahlreichen Ausstellungen international gezeigt haben.

Die Ausstellung von »The Murder of Crows« im Hamburger Bahnhof in Berlin findet statt im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Musikwerke Bildender Künstler", die seit 1999 von Freunde Guter Musik Berlin e. V. in Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie und seit 2002 mit MaerzMusik - Festival für aktuelle Musik | Berliner Festspiele durchgeführt wird. Die Arbeit wurde im Auftrag von Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien für die Sydney Biennale 2008 produziert und dort erstmals ausgestellt.

Eine Veranstaltung der Freunde Guter Musik Berlin e. V., Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin und Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien. In Zusammenarbeit mit MaerzMusik 2009 | Berliner Festspiele.

Ermöglicht aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds und Canada Council for the Arts. Mit Unterstützung von Bowers & Wilkins Speakers und Botschaft von Kanada, Berlin. Mit Dank an Galerie Barbara Weiss, Berlin und Luhring Augustine, New York. Weitere Partner: Deutschlandradio Kultur, Dussmann - das Kulturkaufhaus, Monopol, primeline und zitty.

Eine Auftragsarbeit von Thyssen-Bornemisza Art Contemporary für die Sydney Biennale 2008.

Reihe "Musikwerke Bildender Künstler"

Seit 1999 wurden bereits musikalische Werke und Installationen von Hanne Darboven, Yves Klein, Hermann Nitsch, Rodney Graham, Stephen Prina, Lawrence Weiner / Peter Gordon, Käthe Kruse, Carsten NicolaiJanet Cardiff & George Bures MillerCory Arcangel, Egill Sæbjörnsson & Marcia Moraes, Ryoji IkedaSusan PhilipszSaâdane Afif, Christian Marclay, Ari Benjamin Meyers, Jorinde Voigt und Cevdet Erek im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin präsentiert.

Nationalgalerie
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