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Hinter den Kulissen: „Viel näher am Künstler“. Interview mit der Kuratorin Dagmar Korbacher

08.04.2014
Kupferstichkabinett

Dagmar Korbacher ist Kuratorin im Kupferstichkabinett und widmet sich Druckgrafiken und Zeichnungen mit Leidenschaft. Ihr aktuelles Projekt ist die Ausstellung "Arkadien - Paradies auf Papier" im Rahmen des Themenjahres "1914. Aufbruch. Weltbruch". Im Interview erklärt sie, wie die Idee zu einer Ausstellung entsteht und umgesetzt wird und was die "Arkadien" der Renaissance mit dem Ersten Weltkrieg zu tun haben.

Woher stammt die Idee für eine Ausstellung? Fällt sie einem unter der Dusche oder beim Joggen ein, oder entsteht sie im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit?

Es ist ganz unterschiedlich, aber oft höre ich tatsächlich irgendwo ein Stichwort und komme so auf die Idee. Oder es begegnen mir bei der Arbeit mit der Sammlung Werke, die für eine Ausstellung oder ein spezielles Thema besonders attraktiv sind. Es gibt aber eigentlich nicht immer nur eine Idee, die von A bis Z umgesetzt wird, sondern gleichzeitig viele Ideen in verschiedenen Entwicklungsstadien. Diese müssen erst einmal reifen, bis sie eventuell zu konkreten Konzepten und dann zu einer Ausstellung werden. Da unser Museum wegen der ernormen Größe der Sammlung und der Lichtempfindlichkeit der Kunst auf Papier keine Dauerausstellung hat, arbeiten wir ständig daran, durch solche Wechselausstellungen Einblicke in unsere tolle Sammlung zu gewähren.

Wenn die Idee geboren ist - was sind dann die ersten Schritte?

Zunächst einmal muss man sich konkrete Gedanken machen, was man mit einer Ausstellung sagen will und was das Besondere daran ist. Mit einem Kurzkonzept beginnt man dann und macht sich an die Objektauswahl, bei der das Konzept weiterreift und konkreter wird.

Entwickeln Sie das Konzept allein oder suchen Sie dafür den Kontakt zu Kollegen?

Bei der Entwicklung meiner Projekte finde ich es immer sehr hilfreich, mit Kollegen zu sprechen. Wenn wir die Sachen gemeinsam durchsprechen, können wir uns gegenseitig unsere Gedanken spiegeln und Lücken ausfindig machen. Das ist vor allem zum Finalisieren der Objektauswahl sehr nützlich.

Welche Idee lag Ihrer Ausstellung "Arkadien - Paradies auf Papier" zu Grunde?

Das Spannende an "Arkadien" ist, dass es eine Erfindung von Dichtern ist, die nur auf dem Papier existiert. Sie wurde von vornherein als virtueller Sehnsuchtsort entworfen. Eigentlich ist der Aspekt "Paradies auf Papier" deshalb noch interessanter als "Arkadien" im engeren Sinne, weil er eine ganze Vielfalt solcher künstlerischer Projektionen einschließt. Hinzu kommt, dass die Zeit, in der Arkadien aktuell war, also die Jahrzehnte um 1500, mit einer sehr spannenden Zeit für die Kunst auf Papier zusammenfällt: die kurz zuvor erfundene Druckgrafik wird genutzt, um mythologische Bilder und arkadische Szenen zu verbreiten; der Buchdruck ist wichtig für die Verbreitung bukolischer Literatur; die Zeichenkunst entwickelt sich in ihren verschiedenen Formen und Techniken. Es ist auch spannend, weil Arkadien so nah an einem zentralen Thema der Renaissance ist, der Entdeckung der Welt und des

Menschen. Der Künstler entdeckt die Welt zuerst mit dem Zeichenstift. Er geht raus und macht sich ganz persönliche Notizen von der Landschaft. Die Zeichenkunst ist in diesem Sinne viel näher am Künstler als die Malerei. Nicht zuletzt bietet das Thema aber auch eine tolle Gelegenheit, um die Vielfalt unserer wunderbaren Sammlung zu zeigen.

Welchen Bezug hat die Ausstellung zum Themenjahr "1914. Aufbruch. Weltbruch"?

Für das Themenjahr hatten wir zunächst vor, Kriegsbilder aus fünf Jahrhunderten zu zeigen. Dann haben wir aber überlegt, was es denn ergänzend dazu noch gibt, und so kam uns der Gedanke an die Gegenwelten, wie eben Arkadien. Arkadien ist von vornherein als Gegenbild zu Krieg und Konflikten entworfen worden. Besonders populär war der Arkadien-Gedanke in Venedig kurz nach 1500, als die Stadt nicht gerade ihre glücklichsten Zeiten erlebte. Die anderen europäischen Großmächte wollten damals die Vormacht der Republik Venedig brechen, Soldaten zogen brandschatzend über das venezianische Festland. Auf der anderen Seite haben Ernst Ludwig Kirchner und Otto Mueller 1914 auf Fehmarn Badende gemalt - das ist ja auch eine arkadische Vision und deswegen fanden wir es passend, Arkadien, wenn auch am Rande, in das Themenjahr "1914. Aufbruch. Weltbruch" einzubeziehen.

Gehören die Gestaltung und die Planung, wie die Objekte schließlich gehängt werden, ebenfalls zu den Aufgaben eines Kurators?

Bei Ausstellungen mit einem großen Budget wird ein Architekt eingeschaltet, der die Gestaltung und die Architektur mit dem Kurator entwickelt. Manchmal, wie bei Arkadien, überlegen wir selbst, wie die Wände stehen sollen und welche Farben wir verwenden. Für Arkadien habe ich die Grundanordnung während einer Bahnfahrt skizziert. Diese wurde dann weiter entwickelt, bis wir am Ende maßstabsgetreue Pläne hatten, nach denen wir unseren Ausstellungsraum gestaltet haben.

Gibt es ein Objekt, auf das Sie sich besonders freuen?

Da gibt es natürlich mehrere, etwa eine Zeichnung von Botticelli oder ein Blatt des eher unbekannten Künstlers Camillo Gavasetti. Ganz besonders freue ich mich aber über unser großes Labyrinth: Das ist ein Holzschnitt von 0,86 mal 1,20 Metern, der sich aus neun Elementen zusammensetzt. Ich dachte immer, dass das Werk perfekt für das Thema Arkadien ist, weil es auch einen Liebesgarten mit blühenden Hecken darstellt und am Rand einen Schäfer und Diana mit ihren Nymphen im Bade. Oftsind von Holzschnitten mehrere Abzüge erhalten, aber dieser ist ein Unikat, den gibt es nur bei uns. Die einzelnen Blätter waren bislang separat montiert. Meine Kollegen aus der Restaurierungsabteilung haben sie nun zusammengesetzt und das Werk wird an zentraler Stelle in der Ausstellung hängen.

Die Ausstellung "Arkadien - Paradies auf Papier" ist bis 22. Juni im Kupferstichkabinett zu sehen.