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Verschollene Skulptur der Antikensammlung in Russland wiederentdeckt

28.12.2016
Altes Museum

Die seit Kriegsende verschollene Skulptur „Victoria von Calvatone“ aus der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, die bis 1939 im Alten Museum auf der Museumsinsel Berlin zu sehen war, ist in Russland im Zuge wissenschaftlicher Arbeiten wieder aufgetaucht.

Das geht aus einem Bericht in der Wissenschaftlichen Zeitschrift der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg hervor, der der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vorab von den Kollegen der Eremitage zugeleitet worden war. Darin ist zu lesen, dass die Victoria bei der Ankunft an der Eremitage 1946 in der Abteilung für französische Plastik des XVII. Jahrhunderts eingeordnet worden sei. Mehrere Jahre hat sich die Victoria im Sonderdepot des Museums befunden, und erst vor kurzem konnte sie identifiziert werden. Im Rahmen von museumsgeschichtlichen Forschungen und konservatorischen Analysen konnten russische Spezialisten das Objekt wieder richtig zuordnen und als kriegsbedingt verlagertes Kulturgut aus den Berliner Museen veröffentlichen.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, und der Generaldirektor der Eremitage, Michail Piotrowskij, haben vereinbart, die Skulptur gemeinsam wissenschaftlich zu bearbeiten und zu restaurieren.

Parzinger dankte den russischen Kollegen für ihre transparente Forschung: „Die Eremitage und die Staatlichen Museen zu Berlin stehen seit Jahren in gutem fachlichen Kontakt und haben zahlreiche gemeinsame Ausstellungsprojekte auch mit Bezug zu kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern erfolgreich realisiert wie zuletzt die Ausstellung ‚Bronzezeit – Europa ohne Grenzen‘. Jetzt wird diese wissenschaftliche Kooperation zu der Skulptur der Victoria von Calvatone einen weiteren Meilenstein für die hervorragende und vertrauensvolle Zusammenarbeit setzen.“

Michail Piotrowskij sagte: „Die Eremitage und deutsche Museen haben ein gutes Konzept wissenschaftlicher Zusammenarbeit entwickelt, auch in sensiblen Bereichen. Diese Zusammenarbeit wird im konkreten Forschungsprojekt ‚Victoria von Calvatone‘ konsequent weitergeführt.“

„Victoria von Calvatone“

Die Victoria war 1836 in der Nähe von Calvatone an der Grenze der Provinzen Cremona und Mantua (Lombardei) aufgefunden und 1837 erstmals publiziert worden. Im Dezember 1841 erwarb sie Gustav Friedrich Waagen, Direktor der Gemäldegalerie, für die Skulpturensammlung des Königlichen Museums zu Berlin, wo sie im Frühjahr 1842 ankam. 1939 wurde sie wie zahlreiche weitere Objekte der Museen zu ihrem Schutz in die Neue Reichsmünze am Molkenmarkt gebracht. Seit Kriegsende galt sie als verschollen und war so auch im Verlustkatalog der Antikensammlung – Staatliche Museen zu Berlin (2005) veröffentlicht. Dokumentiert wurde nur der Abtransport durch russische Trophäenbrigaden.

Bei der 170 cm hohen vergoldeten Bronzestatue „Victoria von Calvatone“ handelt es sich um ein Meisterwerk der römischen Kaiserzeit, das Komposition und Motive älterer Werke aufnimmt und miteinander verbindet. Der Körper erinnert an eine tanzende Mänade hellenistischer Zeit, der Kopf orientiert sich stärker an klassischen Formen des 5. Jhs. v. Chr. Aus der Inschrift am Globus (CIL V 4089: VICTORIAE AUG / ANTONINI ET VERI / MARCUS SATRIUS MAIOR) ergibt sich die Datierung des Werkes in die Zeit der gemeinsamen Regierung von Marc Aurel und Lucius Verus (161-169 n. Chr.), vermutlich in die Zeit des Sieges nach dem Partherkrieg des Lucius Verus 162-165 n. Chr. Die Siegesgöttin auf dem Himmelsglobus symbolisierte diese außenpolitischen Erfolge der römischen Kaiser.

Die Victoria wurde in vier Einzelteilen gefunden, Kopf, rechter Arm und Globus waren abgebrochen, konnten aber bereits kurz nach der Auffindung problemlos angepasst werden. Zu einem späteren Zeitpunkt, wahrscheinlich nach ihrer Ankunft in Berlin, wurden die fehlenden Teile – linker Unterarm, linkes Bein und vor allem die Flügel – ergänzt und die Gipsformerei der Berliner Museen erstellte spätestens 1871 eine Abformung der Skulptur.