Bitte beachten Sie die geänderten Öffnungszeiten ab 16. April 2024. Mehr

Die Kunst ist super!

05.09.2009 bis 14.02.2010

Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart

Mit "Die Kunst ist super!" präsentiert sich der Hamburger Bahnhof neu. Auf über 10 000 Quadratmetern werden Werke der Nationalgalerie, Sammlung Marx und Friedrich Christian Flick Collection sowie der Sammlung Marzona in thematischen, monografischen und motivischen Konstellationen, in überraschenden Dialogen und beziehungsreichen Einzelauftritten in Szene gesetzt. Punktuell wird der Bestand des Museums um Leihgaben von Künstlern ergänzt, die zum Teil eigens für die Räume des Museums konzipiert werden, sowie um Leihgaben aus den reichen Sammlungen der Berliner Museumslandschaft.

Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes werden die Bewegungen Fluxus und Happening vorgestellt. Fluxus, "das Fließende", wandte sich gegen traditionelle Kunstvorstellungen und deren Materialwirkungen. Die Happening-Künstler wiederum bemühten sich, in komplexen theatralischen Aktionen neue gedankliche Impulse und veränderte Verhaltensweisen beim Zuschauer hervorzurufen.

Neu präsentiert wird auch der bedeutende Werkkomplex von Joseph Beuys in den Räumen des Westflügels. Dieser weltweit einzigartige Bestand an Werken und Filmdokumenten zeigt eindrücklich Beuys' Bestreben, den Kunstbegriff zu erweitern. Mit seinen provozierenden Skulpturen aus ungewöhnlichen Materialien wie Fett und Filz und seinen filmisch überlieferten Aktionen und politischen Handlungen wird ein Einblick in die Gesamtheit des Denkens von Beuys vorgestellt.

Parallel dazu sind in der Kleihueshalle unter dem Thema Vanitas Hauptwerke aus der umfangreichen Sammlung Marx versammelt. Vanitas bezeichnet Bildthemen und Symbole, die an die Vergänglichkeit alles Irdischen erinnern und die Vergeblichkeit des Strebens nach Reichtum, Sinneslust und Berühmtheit anmahnen.

Die zentrale Halle ist zwei großen installativen Arbeiten gewidmet, die um die Themen Modell und Rekonstruktion, Illusion und künstlerische Reproduktion kreisen. Roman Ondáks Installation "It Will All Turn Out Right in the End" ist zunächst nicht mehr als eine große Kiste, hinter den Pfeilern des Seitenschiffs abgestellt. Doch die Simplizität der äußeren Erscheinung wird konterkariert, sobald wir die Installation betreten und uns in einer detailreichen Nachbildung der berühmten Turbinenhalle der Tate Modern in London wieder finden. Für die Installation "Waggon" hat der polnische Künstler Robert Kusmirowski einen historischen Güterwaggon im Maßstab 1:1 aus einfachen Materialien nachgebaut. In dieser Arbeit wird der Betrachter durch die vorgeführte Sinnestäuschung in ein Spiel von Realität und Illusion, Geschichte und Gegenwart eingebunden. Diesen beiden Werken zur Seite steht ein die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts maßgeblich bestimmendes Kunstwerk: das "Fahrrad-Rad" von Marcel Duchamp.

Im Obergeschoss des Hauptgebäudes werden unter dem Titel Modellversuche 1 + 2 Arbeiten von Gerd Rohling, Alfred Keller, Lyonel Feininger, Hans-Peter Feldmann und Jochen Alexander Freydank präsentiert. Rohling inszeniert eine "Kollektion" farbiger Gefäße wie kostbare antike Ausgrabungsstücke, indem er die Objekte in Vitrinen ausstellt und durch einzelne Lichtspots hervorhebt. Ihnen stehen die naturgetreuen, hundertfach vergrößerten Insektenmodelle von Alfred Keller aus den 1930er Jahren aus dem Museum für Naturkunde in Berlin gegenüber. Feldmann entwirft mit seinem Schattenspiel ein lebendiges Weltentheater, das den Besucher verzaubert. Feiningers Spielzeugstadt "Die Stadt am Ende der Welt" lässt eine geradezu romantische Sehnsucht und Bindung des Künstlers an jene deutschen Städte erahnen, die Grundlage und Motiv für zahlreiche seiner Gemälde waren. Darüber hinaus erlebt Jochen Alexander Freydanks erst jüngst mit einem Oskar ausgezeichneter Kurzfilm "Spielzeugland" hier seine erste Aufführung im musealen Kontext.

Der Kontrast zwischen den strengen Formen der Minimal Art und der wuchernden Struktur der "Gartenskulptur" von Dieter Roth, zwischen den mit Spiegeln verkleideten monumentalen Kuben von Isa Genzken und den über die Wände tanzenden Linien von Otto Zitko, prägt die vornehmlich mit Werken aus der Friedrich Christian Flick Collection realisierte Präsentation in den Rieckhallen. Eindrückliche Bilder für die Unbehaustheit des Menschen etwa von Bruce Nauman oder Absalon stehen dem wohnlich eingerichteten "Heim" von Franz West oder dem mit riesigen roten Sitzmöbeln und TVSet ausgestatteten "Zimmer" von Pipilotti Rist in einem der Filmräume im Untergeschoss gegenüber.

In einer Zeit, in der vermeintlich stabile Wertesysteme in eine Krise geraten sind und sich als äußerst labile Konstrukte erweisen, zeigt sich die Kunst in dieser Neupräsentation des Hamburger Bahnhofs in all ihrer Beweglichkeit und Komplexität, in ihrer Hand in Hand gehenden Produktion von Fiktionen und Ent-Täuschung von Illusionen als verlässliche Größe: Die Kunst ist super!

Nationalgalerie
Nationalgalerie